Michelle Müntefering Im Schatten der SPD-Ikone

BERLIN · Michelle Müntefering wird für die NRW-Sozialdemokraten in den Wahlkampf ziehen. Die 32-jährige Journalistin führte einen parteiinternen Wahlkampf, in dem sie sich bemühte, aus dem großen innerparteilichen Schatten ihres Ehemanns zu treten.

Sie beherrscht auch längere Sätze als ihr Ehemann. Michelle Müntefering ging im Jahr 2004 als Siegerin des nationalen Rhetorik-Wettbewerbs der Deutschen Rednerschule hervor. Ganz im Gegensatz zu ihrem 72-jährigen Mann, der seine damals künftige Ehefrau (32) am Vorabend eines Parteitages in Berlin mit den Worten vorstellte: "Erstens: Es gibt sie. Zweitens: Sie ist hier. Drittens: Wir mögen uns." Mehr könne er nicht sagen. Die Liaison füllte die Schlagzeilen; andere inhaltliche Themen wurden in der öffentlichen Wahrnehmung zurückgedrängt.

Zu rührend und prägend ist die Geschichte des SPD-Chefs, der seine Ehefrau Ankepetra bis zuletzt pflegte und im Sommer 2008 durch eine Krebserkrankung verlor. Im Herbst 2007 war er aus der Politik ausgestiegen und hatte seinen Rücktritt als Arbeitsminister erklärt, um mehr Zeit für das Privatleben und die Pflege und Betreuung zu haben.

Seine 40 Jahre jüngere Frau arbeitete vor der Heirat im Dezember 2009 halbtags in seinem Bundestagsbüro. Schnell tauchten Bilder von einem gemeinsamen Restaurant-Besuch auf. Kolportiert wurde, dass man die beiden gemeinsam im Kino gesehen habe. Die ausgebildete Kinderpflegerin Michelle Schumann trat mit 19 Jahren in die SPD ein, engagierte sich zunächst bei den Jungsozialisten und holte ihr Abitur auf dem 2. Bildungsweg nach, um Journalismus in Gelsenkirchen zu studieren. Immer wieder fiel auf, wie eng der Kontakt zu Müntefering war. Sie hatte unter anderem seine Handy-Nummer.

Bei dem Kampf um den von der jungen Politikerin angestrebten SPD-Wahlkreis Herne/Bochum II- er gilt für die CDU als uneinnehmbar - stellte sich der bisherige Abgeordnete Gerd Bollmann nicht wieder zur direkten Wahl. Ein Problem weniger auf dem Weg nach Berlin, wo die Münteferings eine Wohnung in Kreuzberg bewohnen.

Es gab aber weitere Mitbewerber: Der Chefredakteur des Parteiorgans "Vorwärts" Uwe Knüpfer - einst USA-Korrespondent unter anderem für den Bonner Generalanzeiger - warf seinen Hut in den Ring und scheiterte in der ersten Bewerberrunde derart krachend, dass er umgehend seine Anwartschaft zurückzog.

Michelle Müntefering, gegen die die Juristin Anke Hildenbrand antrat, führte einen parteiinternen Wahlkampf, in dem sie sich bemühte, aus dem großen innerparteilichen Schatten ihres Ehemanns zu treten. Große Kontroversen über inhaltliche Fragen stellten sich in den letzten Wochen nicht, obwohl die Debatte um die Hartz-Reformen die innerparteiliche Situation in der Ruhrpott-SPD noch immer sehr belastet.

Hildenbrand attackierte in dieser Frage die Mitbewerberin Müntefering, meinte aber ihren Mann. Die verzichtete auf innerparteiliche Gegenkritik und stellte ihren Politikentwurf einer jungen und dynamischen Nachwuchsabgeordneten vor. Mit deutlicher Mehrheit stimmten die Delegierten einer Wahlkreiskonferenz in Herne für die 32-jährige Journalistin.

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