Scheitern möglich Immer mehr Zweifel am Handelsabkommens

BERLIN · Politiker aus Bund und Ländern haben am Donnerstag im Gespräch mit unserer Zeitung vor einem Scheitern der Verhandlungen zwischen Europäischen Union (EU) und USA über ein Freihandelsabkommen (TTIP) gewarnt.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmid (CSU) sagte, manche TTIP-Gegner verbreiteten "eine fast irrationale Stimmung von mangelhaften Lebensmittelstandards und von Bedrohungen bäuerlicher Landwirtschaft durch ein internationales Handelsabkommen". Damit würden sie niemandem helfen. Schmidt: "TTIP ist kein Teufelszeug. Wir brauchen Sachlichkeit und Transparenz in dieser Debatte, statt Vorurteile und Legenden." Wer TTIP sterben lassen wolle, habe sich mit den Fakten nicht auseinandergesetzt.

Auch der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) rief zur Sachlichkeit in der Debatte um das Freihandelsabkommen auf. "Mehr Freihandel ist gerade für ein Exportland wie Baden-Württemberg eine Erfolgsvoraussetzung", sagte Schmid. Allerdings sei klar, "dass unsere hohen sozialen und ökologischen Standards nicht ausgehebelt werden dürfen". Hintergrund der Mahnungen ist die am Freitag vergangener Woche ohne greifbare Ergebnisse zu Ende gegangene sechste Verhandlungsrunde zwischen EU und Vereinigten Staaten.

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt stellte am Donnerstag die Chance eines Abkommens in den Vordergrund. "Eine Wirtschaftszone mit 800 Millionen Verbrauchern, die ein Drittel der weltweiten Handelsströme erfasst, ist eine unwiederbringliche Chance", sagte der Minister.

"Wer Angst vor dem geregelten Wettbewerb hat, hat ihn schon verloren." Schmidt rief die Verhandlungspartner zu einer Kommunikation auf, die auf Information und Transparenz ziele. Damit solle "den Verschwörungstheorien, den Mythen und Vorurteilen die Basis entzogen werden". Schmidt trat in diesem Zusammenhang "für eine Offenlegung des Verhandlungsmandats" der EU ein.

Der Appell kommt zu einer Zeit, da ein Erfolg der Verhandlungen immer unwahrscheinlicher wird. Zuletzt hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble öffentlich angezweifelt, dass ein Abschluss der Gespräche wie geplant zum Ende 2015 zustandekommen wird. Tatsächlich verhaken sich EU und USA derzeit im Ringen um Fragen der Transparenz. Die EU möchte den Stand der Verhandlungen transparenter machen und fordert deshalb mehr sogenannte "Leseräume".

Das sind überwachte Zimmer, in denen "konsolidierte Texte" zur Einsicht ausliegen, also die Paragrafen, bei denen beide Seiten bereits Einigung oder Annäherung erzielt haben. Bisher haben in Brüssel nicht einmal alle Mitglieder der Handelsausschusses Zugang.

Die Vereinigten Staaten bleiben hier zögerlich. Das in der Öffentlichkeit stark debattierte Thema "Sonderklagerecht für Investoren" ist derzeit auf Eis gelegt. Auch deshalb, weil die EU-Kommission über 100 000 Stellungnahmen von Bürgern und Verbänden auswerten muss, die in einer Online-Befragung Stellungnahmen abgegeben haben.

Bundesagrarminister Schmidt wies darauf hin, dass bei Agrarprodukten und Lebensmitteln US-amerikanische Importzölle mit etwa fünf Prozent zu Buche schlagen. Der durchschnittliche Zoll bei Milchprodukten liege sogar bei 23 Prozent.

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