Kolumne zur Elbphilharmonie In England beneiden sie Hamburg um sein neues Wahrzeichen

Die Hamburger können stolz sein, dass die von Dissonanzen begleitete Fertigstellung der Elbphilharmonie international als positives Lehrstück wahrgenommen wird, meint unser Autor Bernhard Hartmann.

 Mit dieser Lichter-Show wurde die Elbphilharmonie eröffnet.

Mit dieser Lichter-Show wurde die Elbphilharmonie eröffnet.

Foto: dpa

In den vergangenen Tagen blitzte es gewaltig an New Yorks Time Square. Tausende Menschen, die an dem Platz vorbeispazierten, sahen auf einem der berühmten riesigen Werbemonitore Hamburgs Elbphilharmonie, wie sie in Lutz Nebelins spektakulärer Lichtinstallation festlich leuchtete und in allen Farben flimmerte. Ein Hingucker – auch in der Stadt der weltberühmten Carnegie Hall.

Das neue Wahrzeichen der Hansestadt strahlt buchstäblich bis an andere Ende der Welt, wenn nicht überall von riesigen Leinwänden und Monitoren, so doch als Topmeldung in den Medien. Die „New York Times“ zählt das um den attraktiven Herzog & de Meuron-Bau bereicherte Hamburg in einem kürzlich veröffentlichten Ranking nun zu den Top Ten der internationalen Traumreiseziele – Berlin, München und Köln haben es nicht geschafft, dorthin zu kommen.

Dass die Elbphilharmonie international solche Wellen schlägt, ist für den britischen Musikjournalisten Martin Kettle ein Phänomen, dem er nach der Eröffnung in einem großen Artikel für den britischen „Guardian“ (Online-Ausgabe) auf den Grund geht. „Warum Deutschland stolz auf die Elbphilharmonie ist – und warum Großbritannien sich darüber Gedanken machen sollte“, gibt er gleich in der Schlagzeile die argumentative Marschrichtung vor.

Der Artikel klingt so, als sei sein Autor ein bisschen böse auf sein Land und auf seine Landsleute. Diesmal jedoch nicht wegen des Brexits, sondern weil Kultur auf der Insel nicht diesen Stellenwert hat und auch kein möglicher neuer Konzertsaal eine solche nationale und globale Resonanz hervorrufen würde. In Liverpool oder Glasgow wäre so etwas vielleicht gerade mal gut genug, um Stadtgespräch zu werden, meint Kettle.

Anders in Hamburg: Hier gab sich zur Eröffnung ein „bedeutender Teil des offiziellen Deutschlands“ ein Stelldichein, hat er beobachtet. Präsident Joachim Gauck hielt eine „witzige Rede“, Kanzlerin Angela Merkel saß in der ersten Reihe, neben ihr der vor bürgerlichem Stolz glühende Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz. Und zwar nicht, „um einen klassischen Konzertabend in resigniertem Schweigen zu erleiden, wie es die Königin unter ähnlichen Umständen tun würde“.

Man hätte der Kanzlerin angesichts der vielen politischen Probleme von der bevorstehenden Wahl bis zur Flüchtlingskrise sogar verziehen, wenn sie nach dem offiziellen Redenteil gegangen wäre. „Aber sie blieb, weil sie die Musik genießt, weil sie überzeugt davon ist, dass Kultur von Bedeutung ist, und weil sie weiß, dass es in Deutschland nicht nur kein Problem ist, einen solchen Geschmack zu haben, sondern man es ihr wahrscheinlich als asozial angekreidet hätte, wenn sie nicht geblieben wäre.“

Kettle wünscht sich und seinen Landsleuten, dass „wir ein bisschen mehr wie Europas am stärksten blühende Nation wären“. Aber er sieht derzeit, dass die Briten sich mit Investitionen in die Kultur sehr viel schwerer tun, „als andere entwickelte Nationen“. In den Plänen für einen neuen Konzertsaal in London sieht er ein Hoffnungssignal, bedauert aber zugleich, dass wieder nur die Hauptstadt profitiert.

Für den britischen Journalisten strahlt Deutschland noch immer als Kulturnation, die durch ein Projekt wie die Elbphilharmonie versinnbildlicht wird. Und er meint, der „bürgerliche Stolz und die Freude darüber, dass die Konzerthalle nun endlich fertig und in Betrieb ist“, seien in Hamburg fühlbar gewesen.

Dass die von den Dissonanzen der Bauskandale begleitete Fertigstellung der 866 Millionen Euro teuren Elbphilharmonie international einmal als dieses positive Lehrstück wahrgenommen werden würde, grenzt an ein Wunder. Darauf können die Hamburger nun wirklich stolz sein.

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