GA-Serie Macht und Mehrheit Interview mit dem Präsidenten der Bremer Bürgerschaft

Bremens Bürgerschaftspräsident spricht im Interview über den Nutzen des kleinsten Bundeslandes für die Demokratie und den Sinn des Bremer Selbstbewusstseins.

 Bürgerschaftspräsident Christian Weber.

Bürgerschaftspräsident Christian Weber.

Foto: Bürgerschaft Bremen

Bremen ist klein und hoch verschuldet, aber es will Bundesland bleiben. Mit Christian Weber, dem Präsidenten der Bremer Bürgerschaft, sprach .

Bremen hat etwa 40.000 Einwohner mehr als Dortmund. Ist das Land nicht viel zu klein, um selbstständig zu sein?

Christian Weber: Das sehe ich nicht so. Es ist keine Frage der Größe, sondern der wirtschaftlichen Bedeutung, der Bedeutung insgesamt ob ein Bundesland überleben kann. Bremen ist von seiner Fläche und von der Bevölkerung her nicht groß, aber wir haben eine florierende Wirtschaft und sind wichtig in der Region. Daher stellt sich für uns diese Frage gar nicht.

Was bringt Bremen in den Föderalismus ein?

Weber: Wir haben die Häfen und das Wissen um die Bedeutung der maritimen Verbindungen und der maritimen Wirtschaft. Das gilt auch für Hamburg. Das können andere Länder nicht im gleichen Maße. Die Lasten der Hafenwirtschaft sind von anderen Ländern immer anerkannt worden, denn Deutschland lebt von Exporten.

Bremen hat im Bundesrat drei Stimmen, NRW sechs: Ist der Einfluss der kleinen Länder nicht viel zu groß?

Weber: Das ist von den Vätern des Grundgesetzes so gewollt und nach dem Krieg festgelegt worden. Dahinter steckt der Gedanke, dass die Großen den Kleinen und die Kleinen den Großen helfen, innerhalb des Föderalismus gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen.

Bremen leidet an einer sehr hohen Verschuldung, sie lag zuletzt bei rund 21 Milliarden Euro. Kann Bremen sich Selbstständigkeit überhaupt noch leisten?

Weber: Das ist ein großes Problem. Die Altschulden sind bei der Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleiches leider nicht zur Sprache gekommen. Daher sind wir selbst gefordert. Mit dem übrigen Ergebnis sind aber alle Länder einverstanden. Wir bekommen jedes Jahr einen zusätzlichen Ausgleich von 480 Millionen Euro. Uns ist aufgetragen worden, einen Teil zur Tilgung der Schulden zu verwenden. Das wird sehr lange dauern, aber wir werden das eigenständig hinbekommen.

Diese Verschuldung hat Folgen für Bremen. Von gleichen Lebensverhältnissen ist da vermutlich nur schwer zu sprechen. Worauf muss Bremen verzichten, um nicht noch tiefer in die Schulden zu rutschen?

Weber: Wir sind schon seit vielen Jahren dabei, die Sanierung der Finanzen voranzutreiben. Herr Schäuble schaut uns jedes Jahr in den Haushalt. Wir sind an vielen Stellen nicht mehr Herr über unseren eigenen Etat, weil er vorgelegt werden muss. Wenn wir das Testat aus Berlin bekommen, gibt es 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfen jährlich, um Schulden abzubauen. Diese strengen Vorgaben einzuhalten, ist ein großer Erfolg des Bundeslandes. Aber das beschränkt natürlich die Möglichkeiten zu investieren und Geld für soziale Zwecke oder Schulen auszugeben.

Was macht es Bremen so schwer, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen?

Weber: Benachteiligt sind wir vor allem durch unsere engen Grenzen. Jeden Tag kommen 120.000 Menschen als Pendler aus Niedersachsen nach Bremen. Sie zahlen aber ihre Steuern in ihrem Heimatort. Das ist 1969 so festgelegt worden. Vorher profitierte stärker der Ort, an dem der Arbeitsplatz lag. Wir sehen das insgesamt aber eher gelassen, denn wir sind ein Wirtschaftsstandort, der weit nach Niedersachsen hinein wichtig ist.

Es wird in Norddeutschland immer wieder über die Länderreform gesprochen. Bremen könnte demnach in Niedersachsen aufgehen. Ist so etwas für die stolzen Bremer überhaupt ein Thema?

Weber: Da hat es ja in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder irgendwelche Kommissionen gegeben. Das ist aber alles für den Papierkorb. Solche Debatten sind für uns wie Ebbe und Flut, sie kommen und sie gehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass nach der Einigung der Länder über den neuen Finanzrahmen niemand mehr auf die Idee kommt, Bremen müsse von der Landkarte verschwinden. Diese Diskussion ist durch den Kompromiss hinfällig. Wir Bremer müssen mit dem, was die neue Regelung ergeben hat, jetzt klarkommen. Und erst wenn wir das nicht schaffen, muss neu verhandelt werden.

Was muss aus Bremer Sicht geschehen, dass der Föderalismus in Deutschland stärker wird?

Weber: Wir haben als Parlamentarier immer einen Exekutiv-Föderalismus beklagt, die Tatsache, dass zu wenig Spielraum für eigene Entscheidungen bleibt. Mehr Kompetenzen für Länder finde ich deshalb grundsätzlich richtig.

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