Porträt Japans dienstältester Regierungschef

Tokio · Shinzo Abe hat sein Kabinett umgebildet. Damit will er ganz offensichtlich von seiner eigenen Person ablenken. Der Premier ist selbst in mehrere Skandale verwickelt.

 In der Kritik: Shinzo Abe.

In der Kritik: Shinzo Abe.

Foto: picture alliance / Shizuo Kambay

Eins muss man Shinzo Abe lassen. Der 62-jährige Ultranationalist hat sich schon länger im Amt halten können als sämtliche seine Vorgänger der vergangenen 40 Jahre. Seit fast fünf Jahren ist Abe japanischer Regierungschef. Nun könnte es jedoch kippelig für ihn werden.

Nach einer Reihe von Skandalen in seiner Regierungsmannschaft hat Abe am Donnerstag fast sein gesamtes Kabinett umgebildet. Neuer Außenminister wird Taro Kono, dessen Aufgabe es vor allem sein wird, die Beziehungen zu den USA unter dem unberechenbaren Donald Trump zu verbessern. Seine bisherige Vertraute Sanae Takaichi muss als Innenministerin abtreten. Ebenfalls gehen muss seine bisherige Verteidigungsministerin Tomomi Inada, der vorgeworfen wird, Gefahren für die japanischen Soldaten beim UN-Einsatz im Südsudan vertuscht zu haben.

Mit dieser umfangreichen Kabinettsumbildung will Abe ganz offensichtlich von seiner eigenen Person ablenken. Der Premier ist selbst in mehrere Skandale verwickelt. Unter anderem geht es um Gefälligkeiten für seine Frau und einen langjährigen Freund. Seine Partei, die Liberaldemokratische Partei, unterstützt ihn zwar noch. Allerdings sind seine Zustimmungswerte in der Bevölkerung zuletzt unter 30 Prozent gesunken – sein bisher niedrigster Wert seit seiner Amtsübernahme im Dezember 2012. Abe entschuldigte sich am Donnerstag allgemein für die Skandale. Zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen äußerte er sich nicht.

Erste Amtsjahre nehmen Bevölkerung für ihn ein

Dabei war Abe bis vor Kurzem noch sehr beliebt. Wegen seiner konservativen und nationalistischen Überzeugungen gilt er innen- wie außenpolitisch als Falke. Er umgibt sich gerne mit konservativen Gefolgsleuten, die eine stärkere Rolle der japanischen Streitkräfte anstreben. Er selbst behauptet, Japans Rolle im Krieg werde zu kritisch in den Schulbüchern dargestellt. Das sicherte ihm Unterstützung vor allem der älteren Bevölkerung – die in Japans alternder Gesellschaft einen großen Teil ausmacht.

Auch die Skepsis der jüngeren Wählerschaft, die in der Mehrheit eher liberal eingestellt ist, konnte er ihr zunächst nehmen. Denn als ganz so rechts wie noch im Wahlkampf angekündigt, entpuppte er sich zumindest in den ersten Jahren seiner Amtszeit dann doch nicht. Abe, dessen Großvater Nobusuke Kishi im Zweiten Weltkrieg als Kriegsverbrecher im Gefängnis saß und nach seiner Rehabilitierung Ministerpräsident wurde, entschuldigte sich bei Südkorea für zumindest einige der japanischen Kriegsverbrechen. Wirtschaftspolitisch hat er seine Versprechen aber nicht halten können. Mit Abenonomics wollte er eigentlich der seit über zwei Jahrzehnten weitgehend stagnierenden japanischen Wirtschaft zu neuer Dynamik verhelfen. Das ist ihm nicht gelungen. Eine umfassende Verwaltungsreform ist in seiner Amtszeit ebenfalls ausgeblieben. Und mit seinem Vorstoß, Japans Friedensverfassung zu ändern und damit eine Militarisierung wieder zuzulassen, hat er den liberalen Teil der Bevölkerung nun doch gegen sich aufgebracht.

Skandale in seinem Kabinett sind Abe denn auch keineswegs fremd. 2007 war er schon einmal Regierungschef, musste aber wegen diverser Affären in seiner Regierungsmannschaft und einer schweren Darmerkrankung nach genau einem Jahr zurücktreten. Erst fünf verschlissene Regierungschefs später gelang ihm die Wiederwahl. Einen Vorteil zu damals hat Abe dieses Mal aber: Japans derzeitige Opposition ist personell miserabel aufgestellt.

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