Breitseite von britischem Außenminister Johnson legt Alternativplan zum Brexit vor

LONDON · Der frühere britische Außenminister Johnson legt einen Alternativplan zum Brexit-Kurs der Regierung vor, den er "SuperKanada" nennt. Die EU dürfte sein Vorhaben alles andere als erfreuen.

 Setzt seinen „SuperKanada“-Plan gegen die Chequers-Vorschläge von Thersa May: Boris Johnson.

Setzt seinen „SuperKanada“-Plan gegen die Chequers-Vorschläge von Thersa May: Boris Johnson.

Foto: dpa

Boris Johnson kann es nicht lassen. Zwei Tage vor Beginn des Parteitages der Konservativen hat der britische Ex-Außenminister wieder einmal eine Breitseite gegen die Regierung von Theresa May gefeuert. In einem doppelseitigen Beitrag für die Zeitung „Daily Telegraph“ veröffentlichte der umstrittene Politiker „Meinen Plan für einen besseren Brexit“. Das Timing könnte für Premierministerin May nicht ungelegener kommen. Kurz vor Beginn des Jahrestreffens der Torys, auf dem sie ihren umstrittenen Chequers-Plan für den EU-Austritt verteidigen muss, legt Johnson eine Alternative vor, die besonders beim rechten Parteiflügel für Jubel sorgen wird.

Als „Brexit-Bombe für May“ wurde Johnsons Intervention bezeichnet, und es ist keine Übertreibung, seine Kritik als gepfeffert zu bezeichnen. Es habe „ein kollektives Versagen der Regierung“ gegeben, schrieb er, und „einen Kollaps des Willens des britischen Establishment, das Referendums-Mandat zu erfüllen“. Die bisherige Verhandlungsführung sei „rückgratlos“ gewesen und habe dazu geführt, dass Großbritannien Konzessionen gemacht und einer Notfalllösung zugestimmt habe, mit der eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland verhindert werden soll. Der Chequers-Plan von May sei eine „moralische und intellektuelle Demütigung“, ein „demokratisches Desaster“, das die „die Wähler betrügen“ würde und stelle den „intellektuellen Irrtum dar zu glauben, das wir halb drin, halb draußen sein können.“

Johnson war im Juli von seinem Posten als Außenminister zurückgetreten, weil er den auf dem gleichnamigen Landsitz der Regierung vereinbarten Chequers-Plan nicht mittragen wollte. Der Plan sieht vor, dass Großbritannien, was Güter und Agrarprodukte betrifft, im Binnenmarkt verbleibt und weiterhin dem „gemeinsamen Regelwerk“ der EU folgt. Was Dienstleistungen anbelangt, will man ausscheren, eigene Regeln setzen und sich die Möglichkeit offenhalten, Freihandelsverträge mit Drittstaaten abschließen zu können. Der Chequers-Plan würde das Problem der Vermeidung einer harten Grenze zwischen Nordirland und Irland lösen. Aber er wird nicht nur von Brüsseler Seite abgelehnt, sondern auch von weiten Teilen der Konservativen Partei. Und zu deren Fürsprecher will Johnson sich jetzt aufschwingen.

Der 54-jährige Blondschopf setzt Mays Chequers-Vorschlägen seinen eigenen Sechs-Punkte-Plan entgegen, der mit „Werfe Chequers weg“ beginnt und mit „Starte weltweite Handels-Verhandlungen im April“ endet. Kernstück seiner Ausführungen ist ein Freihandelsabkommen mit der EU, das Johnson „SuperKanada“ nennt . Es orientiert sich an dem CETA-Deal zwischen der EU und Kanada, der seit September letzten Jahres vorläufig in Kraft getreten ist. Johnson will „null Zölle“ und „null Quoten“ beim Waren- und Güterverkehr und hofft auf weitreichende Einigung im Dienstleistungssektor.

Johnson verteidigt seinen „SuperKanada“-Plan als „eine Chance für Großbritannien, dynamischer und erfolgreicher zu werden“, was „genau das Potenzial darstellt, das die EU-Partner einschränken wollen“. Da hat er recht. Johnsons Plan läuft auf die sogenannte Singapur-Option hinaus: Ein Großbritannien, das kompromisslos auf den Freihandel setzt, sich klar vom Europäischen Binnenmarkt abgrenzt und ihm mit niedrigen Steuern und minimalen Regularien Konkurrenz machen will. Diese Aussicht wird die Verhandlungspartner in Brüssel gewiss nicht erfreuen.

Für den am Sonntag in Birmingham beginnenden Parteitag der Konservativen sind damit die Frontlinien vorgezeichnet. „Kanada“ versus „Chequers“ werden die Schlachtrufe lauten, und Premierminsterin Theresa May hat dabei nicht die besten Karten. Einen Tag vor ihrer Grundsatzrede am nächsten Mittwoch wird Boris Johnson auf einer Randveranstaltung des Parteitages sprechen. Bei dem großen Zuspruch, den Johnson bei der Parteibasis hat, dürfte sein Auftritt am Dienstag ein Event werden, der Mays Rede in den Schatten stellt. Besonders beim Fußvolk der Torys ist ihr Chequers-Plan höchst unbeliebt. Und auch im Kabinett zeigen sich weitere Risse. Der „Daily Telegraph“ meldete in dieser Woche, dass mehr als die Hälfte ihrer Ministerkollegen einen Kanada-Deal anstreben wollen, sollte der Chequers-Plan von Brüssel oder im britischen Parlament abgelehnt werden.

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