Luxemburger Regierungschef Juncker bleibt im Amt und tritt wieder an

BRÜSSEL · Am Tag nach dem Rücktritt war von Rücktritt keine Rede mehr. Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, dessen Regierungsbündnis aus Christ- und Sozialdemokraten am späten Mittwochabend über eine dubiose Geheimdienstaffäre zerbrochen war, präsentierte sich am Donnerstag ungebrochen als Ministerpräsident des Großherzogtums. "Die Regierung ist nicht zurückgetreten und voll funktionsfähig", bestätigte Regierungssprecher Guy Schuller.

 Premierminister Jean-Claude Juncker will vorerst weitermachen.

Premierminister Jean-Claude Juncker will vorerst weitermachen.

Foto: AFP

Und sogar Wirtschaftsminister Etienne Schneider aus den Reihen der Sozialdemokraten, die den Sturz Junkers betrieben hatten, bekräftigte: "Bis zu Neuwahlen wird alles beim Alten bleiben. Wir werden nicht abgesetzt oder uns absetzen lassen." Das werde auch das Staatsoberhaupt, Großherzog Henri, bestätigen. Damit ist klar, dass der Amtsinhaber auch als amtierender Hoffnungsträger in die vorgezogenen Neuwahlen gehen kann, die für den 20.Oktober geplant sind.

Dass Juncker die Nummer Eins der Konservativen bleibt, hatten diese schon vorab deutlich gemacht und damit vor allem die rührige Luxemburger EU-Justizkommissarin und Vizepräsidentin der Kommission, Viviane Reding, aufs Abstellgleis geschoben. Der 62-jährigen, ehemaligen Journalistin wurden seit längerem Ambitionen nachgesagt, Juncker beerben zu wollen. Der Zeitpunkt schien nicht einmal ungünstig, galt Juncker in den vergangenen Wochen nach dem Ausstieg aus dem Vorsitz der Euro-Gruppe als amtsmüde. Doch das ist vorbei.

Intern heißt es, Parteifreunde hätten ihn umgestimmt und dabei vor allem an seinen europapolitischen Ehrgeiz erinnert. Der Karlspreis-Träger wäre gern 2009 der erste ständige Ratspräsident der EU geworden. Tief enttäuscht musste er allerdings mitansehen, wie Kanzlerin Angela Merkel und der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Belgier Herman Van Rompuy vorzogen. Doch 2014 werden die Karten in Brüssel gründlicher als je zuvor neu gemischt. Die Amtszeiten Van Rompuys, der EU-Kommission, des Europäischen Parlamentes und der Hohen Beauftragten für die Außenpolitik laufen aus.

Außerdem wollen die Parteienfamilien mit eigenen, EU-weit auftretenden Spitzenkandidaten den Urnengang spannender machen. Während bei den Sozialdemokraten Parlamentspräsident Martin Schulz als Kandidat gehandelt wird, suchen die Konservativen vergebens nach jemandem mit Regierungserfahrung und großer Bekanntheit in allen Mitgliedsstaaten. Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat bereits abgewinkt. Juncker gilt vielen als möglicher Kompromissvorschlag, sollte weitere Spitzenpolitiker absagen. Und auch der Stuhl des ständigen Ratspräsidenten könnte ihm angeboten werden.

Doch dazu sollte der 58-jährige "Mister Euro" möglichst in Amt und Würden sein sowie auf keinen Fall Opfer eine Affäre sein. Genau diese Konstellation bemüht sich der Regierungschef über 550.000 Landsleute gerade wieder herzustellen. Nachdem er seine eigenen Versäumnisse in der Geheimdienst-Affäre auch offen eingeräumt, persönliche Fehler aber bestritten hatte, zeigte er sich gestern wieder selbstbewusst. "Ich habe die letzten Wochen eigentlich extrem gut geschlafen, die letzte Nacht besonders gut", sagte er, nachdem er die Neuwahlen angekündigt hatte. Soll heißen: Wer gehofft hatte, Juncker loszuwerden, muss sich jetzt warm anziehen.

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