Am Landgericht Köln Kammer verhandelt nun ausschließlich Sexualdelikte

Köln · Lob und Kritik an einer Neuerung am Kölner Landgericht: Es gibt nun wie in Dortmund auch eine Strafkammer, die ausschließlich Sexualstraftaten behandelt. Befürworter und Gegner äußern sich im Folgenden zur getroffenen Entscheidung des Gerichts.

 Ein massiver Bau an der Luxemburger Straße: Das Kölner Landgericht.

Ein massiver Bau an der Luxemburger Straße: Das Kölner Landgericht.

Foto: picture alliance/dpa

Das Landgericht an der Luxemburger Straße ragt mit 105 Metern Höhe nicht bloß optisch heraus. Es ist das größte Landgericht in Nordrhein-Westfalen und das viertgrößte in Deutschland. Räuber landen hier, Steuerhinterzieher, Diebe, Schläger, Mörder – und Vergewaltiger. Bisher bestimmte das Zufallsprinzip, vor welchem Richter ein Angeklagter landet. Für Vergewaltiger und andere Sextäter gilt das seit diesem Jahr nicht mehr. Das Landgericht Köln hat eine Kammer eingerichtet, genauer: die 13. Große Strafkammer, die sich nur mit Sexualstraftaten befasst.

Drei Richter urteilen nun über jeden beim Landgericht angeklagten Fall von Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Eine solche Spezialisierung ist im Strafrecht außergewöhnlich. In NRW gibt es wohl noch am Landgericht Dortmund eine Kammer für Sexualstraftaten, sonst aber nicht. Es gibt auch keine speziellen Kammern für Wohnungseinbrüche oder Schläger. Geht es nach Justizminister Peter Biesenbach (CDU) soll die Kammer in Köln keine Ausnahme bleiben. „Die Spezialisierung von Gerichten ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung“, sagte Biesenbach am Freitag im Landgericht. Viele Staatsanwälte seien bereits spezialisiert, die Gerichte könnten folgen.

Da die Gerichte aber unabhängig sind, kann der Justizminister ihnen nicht vorschreiben, welche Kammern sie für welche Delikte einzurichten haben. Biesenbach möchte daher Gespräche mit den Präsidenten der Gerichte führen und sie davon überzeugen. Nur, was ist eigentlich der Vorteil von spezialisierten Richtern?

Spezialisierung soll Qualität der Urteile absichern

Der Präsident des Kölner Amtsgerichts, Roland Ketterle, argumentiert mit verschiedenen Erwägungen. Durch die spezialisierte Sexualstrafrechts-Kammer könne die Effizienz des Gerichts gesteigert, aber auch die Qualität der Rechtsprechung gesichert werden. Es werden Richter dieser Kammer angehören, die sich lange mit Sexualstrafrecht befasst haben. Ein anderer Aspekt sei der Opferschutz. Weil das Landgericht durch die erweiterte Kapazität häufiger auch als erste Instanz in Sexualstrafsachen dienen könne, müssten mögliche Opfer nur einmal aussagen. Wenn das Amtsgericht als erste Instanz fungiert, kann das Landgericht in der Berufung erneut Zeugen vernehmen.

Der Düsseldorfer Strafverteidiger Udo Vetter sieht die Tendenz zur Spezialisierung kritisch. Er befürchtet, dass sie dazu dienen soll, das Strafniveau anzuheben. Vetter kann sich vorstellen, dass auf Sexualstraftaten spezialisierte Richter ihre Expertise durch scharfe Urteile auch sichtbar demonstrieren wollen. „Das klare Ziel ist, die Strafsprüche zu verschärfen“, sagt Vetter. Die Spezialisierung sei außerdem immer weiter ausbaubar: „Was kommt dann als nächstes? Richter für Ladendiebstähle?“, fragt der Rechtsanwalt.

Dadurch, dass die Sexualstrafsachen nun konzentriert bei den immer gleichen Richtern landen, obliegen diese auch einer schärferen Kontrolle. „Die richterliche Unabhängigkeit wird durch die Spezialisierung nicht gefördert, weil die Richter überprüfbar sind“, sagt Vetter. Wenn also die Kammer für eine bestimmte Form der sexuellen Nötigung immer dasselbe Strafmaß fällt, etwa von sechs Monaten, dann könnte die Öffentlichkeit diese Richter persönlich dafür verantwortlich machen.

Die Richter der 13. Großen Strafkammer kommen nicht mehr mit der vollen Bandbreite des Lebens in Kontakt, sondern nur noch mit einer Seite. Auch das kritisiert Strafverteidiger Vetter: „Mir wäre Vielfalt lieber.“

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