Sinkende Geburtenraten in Deutschland Kinder für viele kein Quell der Lebensfreude

BERLIN · Trotz der familienpolitischen Anstrengungen in den vergangenen Jahren, die Paaren die Entscheidung für Kinder erleichtern sollen, gehört Deutschland immer noch zu den Ländern mit den niedrigsten Geburtenraten.

Ob Elterngeld, Ausbau der Betreuungsplätze, wachsende Angebote von Ganztagsschulen - noch ist der Trend ungebrochen, dass viele Frauen kinderlos bleiben. Erstmals hat nun das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung die Geburtenstatistik sowie Daten zu Familienstand und Berufstätigkeit mit den Einstellungen zu Kindern, Elternschaft und Familie verglichen.

Das Ergebnis: Soziale und kulturelle Faktoren beeinflussen wesentlich mehr die Entscheidung für das Elternsein als finanzielle Faktoren. Der General-Anzeiger stellt zentrale Erkenntnisse der Studie vor:

Geringqualifizierte haben mehr Kinder:

Die Zahl der Kinder hängt mit der Qualifizierung der Frau zusammen. Gut ausgebildete Frauen mit Hochschulabschluss bleiben zu 30 Prozent kinderlos. Im Schnitt bekommen sie nur 1,29 Kinder. Wer gar keinen Berufsabschluss erworben hat, setzt statistisch 1,78 Kinder in die Welt. Zudem haben unter den Geringqualifizierten fast 32 Prozent der Frauen drei bis vier Kinder. Hinsichtlich der kinderlosen Akademikerinnen will eine Untersuchung jüngst einen Wandel festgestellt haben: "Die Daten deuten sogar für West- und Ostdeutschland einen minimalen Anstieg an, dessen Nachhaltigkeit gegenwärtig jedoch noch nicht beurteilt werden kann", zitiert die Studie den Politikwissenschaftler Martin Bujard.

Die Zahl der Unverheirateten mit Kindern wächst, aber die meisten Kinder leben mit Eltern, die verheiratet sind:

Obwohl die Institution Ehe an Bedeutung verliert und sich die Geschlechterbeziehungen in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben, ist das verheiratete Paar mit Kindern die häufigste Lebensform. 61 Prozent der Frauen der Geburtsjahrgänge 1965 bis 1969 sind verheiratet und haben Kinder. 7,7 Prozent der Ehen sind kinderlos, aber mit einem großen Unterschied zwischen Ost und West: In den neuen Bundesländern sind nur vier Prozent der Ehepaare kinderlos, im alten Bundesgebiet sind es hingegen knapp acht Prozent.

Große Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland:

Im Osten wird mehr als die Hälfte der Kinder von unverheirateten Eltern geboren. Auch gibt es hier wesentlich mehr Alleinerziehende: Nur 25 Prozent der ostdeutschen Singles ohne Partner im Haushalt sind kinderlos, Dreiviertel von ihnen haben mindestens ein Kind, elf Prozent sogar drei und mehr Kinder. Im Westen sind knapp die Hälfte dieser Altersgruppe, die ohne Partner leben, kinderlos. Die höhere Zahl der Alleinerziehenden im Osten wird damit erklärt, dass es sich noch um ein Erbe der DDR handelt. Alleinerziehende seien dort schon immer durch Kitas unterstützt worden, hätten einem Beruf nachgehen können und seien somit ökonomisch unabhängig gewesen.

Kinderlosigkeit allgemein im Westen höher als im Osten:

Bei den Geburtsjahrgängen 1965 bis 1969 liegt sie mit 24 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Osten. Auch bei ostdeutschen Akademikerinnen ist die Kinderlosigkeit mit 15 Prozent geringer. Als Trend zeichnet sich dort aber ab, dass die Ein-Kind-Familie zunimmt (36 Prozent gegenüber 26 Prozent eine Generation früher). Dafür leben im Westen mehr Familien mit drei und vier Kindern. Einen leichten Unterschied gibt es auch beim Alter der Gebärenden, das seit den 1970er Jahren kontinuierlich gestiegen ist: 2010 waren sie im Schnitt im Westen 30,5 Jahre alt und 29,6 Jahre im Osten.

Im internationalen Vergleich hat Deutschland eine der geringsten Geburtenraten:

Im Schnitt bringt jede Frau in der Bundesrepublik 1,39 Kinder zur Welt. Diese Geburtenrate hat sich nicht wesentlich seit den 1970er Jahren verändert. In Europa schwankt die Geburtenrate pro Frau zwischen 1,2 und 2,2 Kindern. An der Spitze stehen Island, Irland, die Türkei und Frankreich. Das Schlusslicht bildet Lettland (1,17 Kinder), davor Ungarn und Portugal. Von 30 verglichenen Ländern rangiert Deutschland an siebtletzter Stelle.

Vollzeit erwerbstätige Frauen im Westen sind häufig kinderlos:

Viele Mütter im alten Bundesgebiet haben nur einen Teilzeitjob. Knapp 47 Prozent der Frauen in Beziehungen, in denen beide Partner Vollzeit arbeiten, sind kinderlos. Im Osten gilt dies nur für acht Prozent, der Vollzeitjob beider Elternteile ist also die Regel. Im Westen ist es genau andersherum: Nur acht Prozent der Frauen, die wie ihr Partner einen Vollzeitjob ausüben, haben drei und mehr Kinder.

In Universitätsstädten ist die Geburtenrate niedriger.

Es gibt nicht nur West-Ost-Unterschiede, sondern auch regionale Besonderheiten, die sich aus der Zusammensetzung der Bevölkerung ergeben. So leben generell in größeren Städten mehr kinderlose Frauen, was sich aus ihrer Erwerbstätigkeit ergibt: Großstädte bieten mehr Jobs für Hochqualifizierte. Auch das Alter der Gebärenden ist dort höher. Die ältesten Mütter leben im Großraum München und im Rhein-Main-Gebiet; mit die jüngsten Mütter hingegen im rheinland-pfälzischen Pirmasens.

Kinder werden von vielen nicht mehr mit Lebensfreude gleichgesetzt:

Nur 45 Prozent der befragten Kinderlosen stimmt dem Satz zu: "Wenn ich in den nächsten drei Jahren ein (weiteres) Kind bekommen würde, dann wäre das für meine Lebensfreude und Zufriedenheit (viel) besser." Bei den Deutschen mit Kindern bejahten das sogar nur 17 Prozent der Befragten. Unter sieben Ländern, in denen es eine solche Umfrage gab, waren die Deutschen am negativsten eingestellt. Die wenigsten Deutschen glauben auch, dass sich durch ein Kind die Einstellung anderer Menschen zu ihnen verbessern würde. 13 Prozent befürchteten, ihr Ansehen werde sich sogar verschlechtern.

Im Westen befürchten 63 Prozent, ein Kleinkind leide unter der Berufstätigkeit der Mutter:

Ein weiterer signifikanter Unterschied zum Osten. Dort stimmten dieser Meinung nur 36 Prozent zu.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Antje Höning
zu den Folgen der
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-LegalisierungLauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Zum Thema
Aus dem Ressort