Bundeswehr-Reform Kommandeure fordern Korrektur

BERLIN · Zwar stimmen fast drei Viertel der Befragten grundsätzlich der Reform der Streitkräfte zu, doch die Umsetzung dieser Neuausrichtung hat bei den Führungskräften der Bundeswehr viel Ärger und Frust ausgelöst.

Zwei Sätze nur. Und eine klare Ansage. "Wer sich einbringen und mitgestalten kann, wird schnell seinen Platz finden und seinen Auftrag leben. Wer dies nicht kann, hat keinen Platz." Thomas de Maizière (CDU) war gerade gut zwei Monate Verteidigungsminister, als er im Mai 2011 in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin vor Führungskräften aus Truppe und Ministerium Generäle und Beamte wachrüttelte.

Die Botschaft: Die von seinem Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angestoßene Neuausrichtung der Bundeswehr kommt unausweichlich. Und: Sie wird mit einschneidenden Veränderungen verbunden sein.

Knapp eineinhalb Jahre später hat der Deutsche Bundeswehr-Verband (DBwV) nun Ergebnisse einer Studie vorgelegt, was diese Neuaufstellung der Streitkräfte in der Truppe verändert, bewirkt oder angerichtet hat. Befragt haben Wissenschaftler der TU Chemnitz im Auftrag des DBwV Führungskräfte der Bundeswehr.

Die Ergebnisse sind nach den Worten des Vorsitzenden des Bundeswehr-Verbandes, Oberst Ulrich Kirsch, "alarmierend". Nach Auswertung von knapp 1 800 Fragebögen, die Kommandeure, Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel zurückgeschickt haben, ist das "mittlere Management" der Truppe vor allem mit der Umsetzung der Neuaufstellung extrem unzufrieden.

Zwar stimmen fast drei Viertel der Befragten grundsätzlich der Reform der Streitkräfte zu, doch die Umsetzung dieser Neuausrichtung hat bei den Führungskräften der Bundeswehr viel Ärger und Frust ausgelöst.

Laut Studie bewertet fast jeder Zweite (46,7 Prozent) die Umsetzung als schlecht oder sehr schlecht. Nur 5,7 Prozent sind demnach davon überzeugt, dass der Personalabbau ohne größere Probleme und Nachteile für die Soldatinnen und Soldaten vollständig gelingen wird.

67,5 Prozent bewerteten ihre Arbeitsbelastung als groß oder sehr groß, wobei Professor Gerd Strohmeier von der TU Chemnitz einräumen musste, dass man lediglich allgemein und nicht differenziert nachgefragt habe. 88,1 Prozent der Befragten äußerten sich überzeugt, dass die Neuausrichtung bald korrigiert werden müsse.

Besonders bedenklich: 58 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten im Zuge der Neuaufstellung auch schon darüber nachgedacht, die Streitkräfte zu verlassen. 63,6 Prozent würden ihren Kindern den Dienst in der Bundeswehr nicht empfehlen, was für DBwV-Chef Kirsch ein besonders kritischer Wert ist, weil in dieser Studie ausschließlich Führungskräfte befragt worden seien, just "die Menschen, die die Reform umsetzen müssen".

Kirsch alarmiert: "Wenn nicht ganz schnell etwas passiert, wird die Reform kippen!" Weiter fühlt sich ein großer Teil der Führungskräfte (65,4 Prozent) von der Bundesregierung alleine gelassen. Allerdings fühlt sich nur gut ein Viertel (26,7 Prozent) vom Verteidigungsministerium nicht unterstützt.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte, auch wenn die Neuausrichtung eine "allumfassende Strukturreform" sei, bei der "kein Stein auf dem anderen" bleibe, müsse "nachdenklich stimmen", dass nur die Hälfte der Befragten die Umsetzung der Neuausrichtung als positiv bewerte.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, sieht seinen Jahresbericht vom Januar durch die Umfrage bestätigt. Die Soldatinnen und Soldaten seien "unzufrieden, weil sie sich nicht mitgenommen fühlen".

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