"Fangprämien" Korruptionsvorwurf gegen Ärzte

BERLIN · Kassen kritisieren "Fangprämien" von Kliniken. Mediziner warnen vor Stimmungsmache: Die Krankenkassen schlagen Alarm: Jede vierte Klinik hat in einer Emnid-Umfrage Geldzahlungen an niedergelassene Ärzte für die Einweisung von Patienten als üblich bezeichnet.

Wie der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) am Dienstag in Berlin mitteilte, sind die Ergebnisse bei den nicht-ärztlichen Leistungserbringern noch höher. Bei den befragten Orthopäden, Sanitätshäusern und Hörgeräteakustikern hätten sogar 46 Prozent die Einschätzung vertreten, Geldleistungen seien die Regel.

Die Berufsordnung der Ärzte verbietet es Leistungserbringern, für die Einweisung von Patienten wirtschaftliche Vorteile entgegenzunehmen oder zu gewähren. Nach der Umfrage, an der im Herbst rund 1140 niedergelassene Ärzte, Kliniken und nicht-ärztliche Leistungserbringer teilnahmen, ist dieses Verbot den Betroffenen aber häufig nicht bekannt.

Der GKV-Spitzenverband sprach von "skandalösen" Zuständen. Wenn das Verbot unter das Strafrecht fiele, müssten hochgerechnet 27 000 Vertragsärzte in Deutschland als korrupt gelten.

Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery, der am Dienstag in Nürnberg den Deutschen Ärztetag eröffnete, bezweifelte die Ergebnisse der Studie. Es müsste dann viel mehr Anzeigen bei der Ärztekammer und den Staatsanwaltschaften geben. Er sprach von Stimmungsmache gegen Mediziner. Allerdings gaben die Befragten, die von konkreten Angeboten eines wirtschaftlichen Vorteils berichteten, an, die Vorkommnisse meistens nicht den zuständigen Stellen gemeldet zu haben.

Die GKV warf den Medizinern vor, den "Mantel des Schweigens" über das Thema auszubreiten. "Fehlende Kontrollen und Sanktionen des jeweiligen Berufsstandes lassen Zuweisungen gegen Entgelt offenbar als risikoarmes Kavaliersdelikt erscheinen."

Derweil warb Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) wie Montgomery für den Verzicht auf die Praxisgebühr. Ansonsten sollten die Milliardenüberschüsse der gesetzlichen Krankenkassen aber für schlechte Zeiten aufgehoben werden. In der Koalition gibt es Streit um die Zehn-Euro-Gebühr, weil die Union an ihr festhalten will.

Bahr stellt heute im Kabinett den Entwurf für ein Patientenrechtegesetz zur Abstimmung. Es soll erstmals die Rechte der Versicherten in einem Gesetz bündeln.

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