Lobbyismus Kritiker ziehen eine vernichtende Bilanz

BERLIN · Lobbyismus ist ein wissenschaftlich nur schwer zu erfassendes Phänomen. Es beginnt bei der tatsächlichen alltäglichen Einflussnahme von Verbänden. Das ist dann normaler demokratischer Alltag, auch wenn der organisierte Druck - beispielsweise im Gesundheits- und Pharmaziebereich - an Massivität erheblich zugenommen hat.

Aber es geht auch um die Beeinflussung von Politikern durch Bestechung. Obwohl der Regelungsbedarf gerade in diesem Punkt allgemein anerkannt wird, schaffte es der Bundestag in der ablaufenden Legislaturperiode nicht, die Gesetzgebung hier zu erneuern. Insgesamt acht Vorstöße scheiterten am Widerstand der CDU/CSU-FDP-Koalition.

Vor diesem Hintergrund legte die Organisation "Lobby-Control" nun einen Bericht über die Lobby-Situation für die gesamte ablaufende Legislaturperiode vor. Die Schlüsselerkenntnis: "In den fünf untersuchten Handlungsfeldern - Transparenz, Seitenwechsel von Abgeordneten, Parteienfinanzierung, Nebeneinkünfte und Abgeordnetenkorruption - hat es nur bei den Nebeneinkünften eine Verbesserung gegeben."

Auslöser war die Debatte um die Honorareinkünfte des früheren Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD). Der Druck auf die Politik war so groß, dass es zu einer Stufenlösung kam, die eine erweiterte Offenlegungspflicht beinhaltete.

Als alarmierend bewertete die Studie die "Seitenwechsel" von der Politik in die Wirtschaft. Besonders im Visier: Der Noch-Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU). Der Bericht spricht von einem "lukrativen Gang durch die Drehtür". Der CDU-Politiker wechselt Anfang 2014 als Chef-Lobbyist zu Daimler.

Die Gefahr aus Sicht der Lobby-Vertreter: "Wenn Verbände oder Unternehmen ehemalige Entscheidungsträger einstellen, sichern sie sich Insider-Wissen über politische Prozesse und womöglich auch einen privilegierten Zugang zur Politik." Sitzt "Daimler am Kabinettstisch"? Eine Lösung des Problems bieten die sogenannten "Karenzzeiten" - also eine mehrmonatige Unterbrechungsphase zwischen alter und neuer Beschäftigung. Im Bundestag liegt die Idee seit Jahren auf dem Tisch - bisher ohne die Chance auf eine parlamentarische Mehrheit.

Ein anderer Punkt sind die Korruptionsversuche. Das Grundgesetz ist glasklar: "Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen", wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Die schwarz-gelben Regierungsfraktionen haben alle diesbezüglichen Vorstöße einer Verschärfung blockiert. Allerdings sind in Deutschland nur wenige Fälle von aktiver Bestechung von Politikern bekannt.

Zu dem Thema gehört auch die Frage der Parteienfinanzierung. Der Europarat in Straßburg hat die Bundesrepublik für das bestehende System kritisiert. Den Kritikern geht es vor allem darum, dass die Offenlegungspflicht des Parteiengesetzes umgangen werden kann. Das System sei "intransparent". Zwar sind Einfluss-Spenden in Deutschland nicht erlaubt. Doch die Unterstützung von Unternehmen durch Spenden sei selten "frei von Hintergedanken".

Zugespitztes Fazit der Autoren: "Unter Schwarz-Gelb hatten Lobbyisten freie Fahrt." Es gebe in Deutschland nach wie vor keine Transparenzregeln.

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