Margaret Thatcher Letztes Geleit für die "Eiserne Lady"

London · Letzte Ruhe nach dem Meinungssturm der vergangenen Tage: Mit einer majestätischen Zeremonie hat Großbritannien sich Mittwoch von seiner umstrittenen, ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher verabschiedet.

 Der Sarg mit dem Leichnam Margaret Thatchers wird aus der Kathedrale St. Paul’s gebracht.

Der Sarg mit dem Leichnam Margaret Thatchers wird aus der Kathedrale St. Paul’s gebracht.

Foto: afp

Zehntausende Zuschauer säumten die Straßen Londons, als der Trauerzug sich auf den letzten Weg von Westminster zur Kathedrale St. Paul’s machte. Die erwarteten Unruhen blieben aus.

Um 9.45 Uhr sollte Big Ben zum letzten Mal an diesem Vormittag schlagen. Durch alle historischen Wirren Londons hat die Glocke den Takt vorgegeben, doch zur Trauerfeier für Margaret Thatcher verordnete das Parlament ihr Schweigen.

Die ganze Nacht hatte der Sarg der Politikerin in einer Kapelle tief unter dem britischen Unterhaus gelegen, am frühen Morgen bringen Bestatter, die auch schon Prinzessin Diana und Queen Mum begleiteten, den Leichnam der einzigen Premierministerin Großbritanniens zu ihrem Trauerzug.

[kein Linktext vorhanden]Dort übernimmt die Armee, ganz nach Thatchers Wünschen: Sechs schwarze Pferde ziehen den Sarg auf einem offenen Kanonengespann durch die Hauptstadt. 40 Minuten ist die Prozession unterwegs, jede Minute wird am Tower of London ein Schuss gefeuert. Alle neun Schritte entlang der Route erweist ein Soldat dem Gespann die letzte Ehre: Insgesamt 700 Männer in festlichen Uniformen senken Kopf und Waffe, sobald der Klang der Hufe an ihnen vorbeigezogen ist.

Zehntausende Briten sind gekommen, um teilzuhaben an diesem ernsten, nationalen Ereignis. Trotz der bitteren Debatten, die das Land in den letzten Tagen über das politische Vermächtnis der Eisernen Lady geführt hat, lassen sie den Zug zumeist würdevoll passieren. Nur auf der Fleet Street erklingen laute Buh-Rufe, bei Ludgate Circus sausen den Rappen Fluggeschosse um die Ohren.

[kein Linktext vorhanden]Ein einzelner Passant hält ein Transparent: "Ruhe in Schande." Auf der anderen Straßenseite kontert ein Thatcher-Anhänger mit seinem eigenen Plakat: "Aber wir haben sie geliebt." Margaret Thatcher, die zu Lebzeiten keiner Debatte aus dem Weg ging, sie oft sogar einforderte, hätte wegen solcher kleinen Scharmützel wohl nur mit den Schultern gezuckt. Die Mehrheit der Zaungäste schweigt ohnehin respektvoll, mancher applaudiert, wirft weiße Rosen auf den flaggengeschmückten Sarg.

Es ist wohl unvermeidlich, dass der Trauergottesdienst trotz der persönlichen Note auch das Reich der Politik streift. 2300 Gäste aus 170 Ländern sind hier versammelt, darunter alle noch lebenden Premierminister, Freunde und Feinde gleichermaßen, ehemalige Kabinettsmitglieder, die mit ihr und gegen sie gearbeitet haben. Bischof Richard Chartres spricht über "die echte Margaret Hilda" hinter dem Mythos; über ihre erste Karriere als Wissenschaftlerin, die ein Eiscreme-Rezept entwickelte; die Hürden, die ihr eine Ära präsentierte, in der nur vier Prozent aller Unterhaus-Abgeordneten Frauen waren.

Thatchers politische Botschaften, so Chartres, seien oft missverstanden worden. "So etwas wie Gesellschaft gibt es nicht", zitiert der Bischof ihr strittigstes Statement – und setzt zur posthumen Richtigstellung an. Das Gemeinwesen habe die Tochter eines Laienpredigers mit ihren Worten nicht etwa herabwürdigen, sondern als Netzwerk aus Individuen mit Verantwortung füreinander aufwerten wollen. Ihre "formidable Energie, ihre Leidenschaft und tadellose Höflichkeit" hätten sie ausgezeichnet.

Neben Staatschefs und Queen Elizabeth II. sitzen viele Prominente unter der Kuppel der Kathedrale – darunter auch Sängerin Shirley Bassey, Schauspielerin Joan Collins und Ex-US-Außenminister Henry Kissinger. Bei den Planungen für ihr eigenes Begräbnis hat Thatchers allerdings auch einfache Angestellte wie ihren Fahrer Denis Oliver mit einer Einladung bedacht. "Auf unseren langen Touren haben wir viel geredet, natürlich immer über Politik, und manchmal haben wir uns auch gestritten", erinnert er sich am Rande der Feier, "sie war eine bemerkenswerte Dame, sehr mitfühlend, aber ohne jeden Sinn für Humor."

[kein Linktext vorhanden]Die pompöse, sehr britische Trauer-Choreographie des Tages wird nach Margaret Thatcher sicher keinem anderen Politiker mehr zuteil. Im Vorfeld waren nicht nur die Kosten – geschätzte zwölf Millionen Euro – in die Kritik geraten. Vielen war auch unwohl bei dem Zeremoniell des Tages, das in diesen Dimensionen bisher nur Winston Churchill und Mitgliedern des Königshauses vorbehalten war. Die Asche von Margaret Thatcher wird am Donnerstag neben der Urne ihres Mannes Denis auf einem Londoner Friedhof beigesetzt.

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