Kommentar zum Start des Türkei-Referendums Loyalitätskonflikt

Meinung | Bonn · Beim Referendum zur türkischen Verfassungsänderung werden die in Deutschland lebenden Türken einen wichtigen Einfluss auf die Entscheidung haben. Die stehen vor der Wahl: Freiheit oder Vaterlandstreue.

 Türkinnen geben am Montag in Hürth bei Köln im türkischen Generalkonsulat ihre Stimme ab. Auch die Türken in Deutschland sind dazu aufgerufen, über die umstrittenen Verfassungspläne des türkischen Präsidenten Erdogan abzustimmen. Die Verfassungsreform würde dem Staatsoberhaupt in der Türkei deutlich mehr Macht verleihen.

Türkinnen geben am Montag in Hürth bei Köln im türkischen Generalkonsulat ihre Stimme ab. Auch die Türken in Deutschland sind dazu aufgerufen, über die umstrittenen Verfassungspläne des türkischen Präsidenten Erdogan abzustimmen. Die Verfassungsreform würde dem Staatsoberhaupt in der Türkei deutlich mehr Macht verleihen.

Foto: picture alliance / Oliver Berg/d

Kein Wunder, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Minister so versessen darauf waren, in Deutschland Wahlkampf für ihre Verfassungsänderung zu machen: Die 1,4 Millionen Deutschtürken, die zwei Pässe haben, sind das Zünglein an der Waage bei diesem Referendum.

Das Rennen um ein „Ja“ oder „Nein“ ist nun doch offenbar so knapp, dass ausgerechnet jene Wähler über den Demokratieabbau in der Türkei entscheiden könnten, die gar nicht mehr in der Türkei leben. Als wäre das nicht schon paradox genug, genießen sie in Deutschland Freiheit und Bürgerrechte, haben aber in weiten Teilen gar kein Problem damit, wenn genau diese Bedingungen in ihrer alter Heimat beschnitten werden. Das dritte Paradoxon ist der Kern dieser ganzen vertrackten Situation: In einer modernen Demokratie dürfte es diese Volksabstimmung ja gar nicht geben. Gewaltenteilung und Minderheitenschutz, deren Aufhebung Erdogan plant, sind in echten Demokratien unantastbar – ganz besonders für fahnenschwenkende Mehrheiten oder Schreihälse in Regierungsfunktionen. Es sind Sicherheitsmechanismen, weil beides, fragwürdige Massenmeinungen und Despoten, in der Geschichte Europas nicht unbekannt sind.

Freiheit oder Vaterlandstreue – vor dieser Wahl stehen die Doppelpassträger seit Montag. Bleibt zu hoffen, dass die Erkenntnis reift, dass beide Dinge zusammengehören und dass Deutschtürken, wie viele Menschen, die zwischen Kulturen und Identitäten pendeln, verstehen, das Beste zusammenzusetzen.

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