Wechsel an der WHO-Spitze Margaret Chan verlässt die Weltgesundheitsorganisation

Genf · Seit zehn steht die Chinesin an der Spitze der UN-Organisation. Dabei agierte sie wenig glücklich und verspielte das Vertrauen der Geberländer.

 Margaret Chan, Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation.

Margaret Chan, Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation.

Foto: AP

Kaum war Margaret Chan aus Nordkorea zurückgekehrt, sorgte sie für heftiges Stirnrunzeln. Das Land biete seinen Bewohnern ein beispielhaftes Gesundheitssystem, behauptete Chan. Die meisten anderen Entwicklungsländer würden Nordkorea darum „beneiden“. Die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation hatte 2010 Nordkorea besucht, die Machthaber der stalinistischen Diktatur blendeten Chan mit geschönten Statistiken und herausgeputzten Krankenstationen.

Das Lob auf die vermeintlichen Errungenschaften Nordkoreas war noch ein vergleichsweise leichter Schnitzer, der Margaret Chan (69) in ihrer rund zehnjährigen Amtszeit unterlief. Insgesamt legt die promovierte chinesische Medizinerin keinen überzeugenden Leistungsausweis vor. Anfang 2007 nahm sie auf dem Chefsessel der obersten internationalen Gesundheitsbehörde in Genf Platz, am 30. Juni läuft ihr Vertrag aus. „Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, aber sie ist gestolpert, und einige Male stolperte sie übel“, urteilt der amerikanische Gesundheitsexperte Lawrence Gostin im Nachrichtenportal Politico. In der Fachwelt ist man sich einig: Chans Nachfolger als WHO-Generaldirektor, der am Dienstag auf der Weltgesundheitsversammlung gewählt werden soll, tritt ein schweres Erbe an.

Der schlimmste Fehler, für den Chan die Verantwortung trägt, ist die katastrophal langsame Reaktion auf den Ausbruch der Ebola-Epidemie in Westafrika 2013/2014. Während der Krise starben rund 11 000 Menschen in Guinea, Liberia und Sierra Leone einen qualvollen Tod. Die WHO aber erkannte zunächst nicht die Gefahr, gewährte den drei bitterarmen Ländern monatelang nicht die nötige Hilfe. Die Antwort der WHO auf die Krise sei „langsam, lachhaft und unverantwortlich“, urteilte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen im August 2014. Auch der Entdecker des Ebola-Erregers, der Belgier Peter Piot, prangerte die Nachlässigkeiten der WHO an. Die Organisation habe „wertvolle Zeit“ vergeudet.

Im Fall der Schweinegrippe 2009 monierten Chans Gegner, die Generaldirektorin habe übertrieben reagiert und unnötig Ängste geschürt. Tatsächlich steigerte Chan vor laufenden Kameras den internationalen Gesundheitsalarm auf die höchste Stufe. „Die Welt ist nun am Beginn der Grippe-Pandemie 2009“, verkündete sie mit todernster Miene. Medien zogen Vergleiche zu der 1918 ausgebrochenen Spanischen Grippe, die bis zu 50 Millionen Menschen getötet hatte. Die Produktion von Impfmitteln lief heiß, Regierungen deckten sich ein. Letztlich aber fiel die Schweinegrippe wesentlich milder aus als befürchtet – die Pharmaindustrie strich satte Gewinne ein. Gerüchte über Kungelei zwischen der WHO und den Firmen machten die Runde.

Dass die Organisation mit Big Business verbandelt ist, kann auch Chan nicht leugnen. So überweist Computer-König Bill Gates über seine Stiftung immense Summen an die WHO. Erst neulich machte Gates mehr als 360 Millionen US-Dollar für den Kampf gegen Tropenkrankheiten locker. So honorig Philanthropen wie Gates auch sein mögen, die WHO begibt sich in die Abhängigkeit einzelner Personen und ihrer Launen.

Deshalb fordern Hilfsorganisationen wie „Brot für die Welt“ mehr staatliche Gelder für die WHO, besonders von den führenden Wirtschaftsmächten. Die aber scheuen sich, der WHO finanziell richtig unter die Arme zu greifen. „Chan hat viel Vertrauen verspielt“, heißt es in diplomatischen Kreisen. Die Geberländer hofften jetzt auf einen Neustart, bevor sie mehr Geld überweisen.

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