Das Portrait Mehr als eine Quotenfrau

PARIS · Die Franko-Marokkanerin Najat Vallaud-Belkacem steht für eine neue Vielfalt in der französischen Politik. Sie ist die Stimme der französischen Regierung und das Gesicht einer neuen politischen Generation.

 Najat Vallaud-Belkacem

Najat Vallaud-Belkacem

Foto: ap

Najat Vallaud-Belkacem, 34 Jahre alt, in Marokko geboren, in Frankreich aufgewachsen, Regierungssprecherin und Frauenministerin. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde sie 2007 als Wahlkampfsprecherin der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal und vor allem im Frühjahr als Sprecherin der Präsidentschaftskampagne von François Hollande, wo sie durch ihre Frische und Schlagfertigkeit herausstach.

Auf eine Weise ist Vallaud-Belkacem auch die Rachida Dati in Frankreichs neuem Kabinett, so sehr sie selbst den Vergleich ablehnt: weniger glamourös als die frühere Justizministerin, die Nicolas Sarkozy förderte, bevor er sie fallen ließ, aber durch ihre Wurzeln und ihre Geschichte ein Symbol für die Chancengleichheit in einem Frankreich, das nur offiziell keinen Unterschied macht zwischen "franko-französischen" und zugewanderten Franzosen.

Selbst wenn die Jungpolitikerin durch Talent und Leistung vorankommen will, entgeht sie der Debatte um die Bedeutung ihrer Herkunft nicht. Zuletzt zitierte das Nachrichtenmagazin "Le Point" ihre Förderin Royal mit den Worten, Vallaud-Belkacem "wäre vielleicht nicht da, wo sie ist, wenn sie Claudine Dupont heißen würde".

Sie solle zu ihrer Identität stehen und stolz auf sie sein. Royal dementierte die Aussage, Vallaud-Belkacem rief per Twitter zu einem "Stopp der sinnlosen Streitereien" auf. Verleugnen kann sie nicht, dass sie auch eine Quotenfrau ist: Hollande wollte Geschlechtergleichheit im Kabinett, zudem Vertreter ethnischer Minderheiten. Die Franko-Marokkanerin mit der offen-sympathischen Art schien eine ideale Wahl. Als Mutter von dreijährigen Zwillingen übt sie zudem den Spagat der Frau, die Berufs- und Familienleben unter einen Hut bringt.

Wirkt sie bei Pressekonferenzen oft zögerlich, so hat sie in ihrem Ministerium doch viel vor. Ihre Ankündigung, sie wolle die Prostitution "verschwinden lassen", spiegelt eine alte Position ihrer Partei wider, brachte aber eine heftige Diskussion in Gang. Vertreterinnen des Sex-Gewerbes gingen gegen ihre Pläne, die noch keine konkreten Züge haben, auf die Straße. Ein früher Erfolg der Kabinetts-Jüngsten ist dagegen das verschärfte Gesetz gegen sexuelle Belästigung.

Als zweites von sieben Kindern im marokkanischen Dorf Beni Chiker geboren, zog Vallaud-Belkacems Familie 1982 ins nordfranzösische Amiens, wo ihr Vater als Bauarbeiter arbeitete. Sie schaffte die Aufnahmeprüfung in die Elitehochschule Sciences-Po, wo sie ihren Mann Boris Vallaud kennenlernte, der heute als Ministeriumsberater tätig ist.

Drei Jahre arbeitete sie als Juristin, 2020 trat sie in die Sozialistische Partei ein. Royal entdeckte sie, als sie Regionalberaterin des Lyoner Bürgermeisters Gérard Collomb war. In zehn Jahren Politik, sagt Vallaud-Belkacems heute, sei sie als junge, arabische Frau oft angesehen worden "wie von einem anderen Planeten". Dabei heißt dieser Planet Frankreich.

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