Neuer Staatschef in Usbekistan Mehr Härte, weniger Intellekt

Moskau · Schawkat Mirsijajew tritt das Erbe des langjährigen Diktators Islam Karimow an. Was der neue starke Mann will, ist noch unklar.

 Der neue usbekische Staatschef Schawkat Mirsijajew.

Der neue usbekische Staatschef Schawkat Mirsijajew.

Foto: AP

Es gibt noch unangefochtene Wahlsieger auf dieser Welt. In Usbekistan gewann vor wenigen Tagen der frühere Premierminister Schawkat Mirsijajew mit 88,61Prozent die Präsidentschaftswahlen. Damit tritt Mirsijajew die Nachfolge des Anfang September gestorbenen Staatschefs Islam Karimow an, dessen Amt er schon geschäftsführend innehatte.

Mirsijajew, 59, kandidierte für die liberal-demokratische „Bewegung der Unternehmer und Geschäftsleute“, eröffnete im Wahlkampf ein Internetportal, wo er Eingaben der Bürger elektronisch in Empfang nahm. Schon prophezeien russische Beobachter einen Reformpräsidenten. Mirsijajew habe bereits die Kontrollen in kleinen und mittleren Unternehmen massiv einschränken lassen, schreibt die Zeitung Moskowski Komsomoljez.

Aber es gibt Zweifel, ob Mirsijajew Usbekistan wirklich verändern will. Er machte unter Karimow eine Bilderbuchkarriere vom Komsomolfunktionär in einem Taschkenter Agrarinstitut zum postsowjetischen Parlamentsabgeordneten und Regionalgouverneur, ab 2003 war er Regierungschef. Im Wahlkampf beschwor er Kontinuität.

„Mirsijajew war immer Karimows Erfüllungsgehilfe, diesem hundertprozentig ergeben“, sagt der Zentralasienexperte Marcus Bensmann vom Rechercheportal Correctiv. Außerdem gilt er als Intimus des 72jährigen Geheimdienstchefs Rustam Inojatow, dessen Organe am meisten aus den freien Unternehmern herauspressten. „Unwahrscheinlich“, so Bensmann, „dass er sich nun ausgerechnet mit Inojatews Apparat anlegen wird.“

Es gibt Berichte, Mirsijajew habe als Regionalchef von Dschisak Bauern, die bei der Baumwollernte das Plansoll nicht erfüllten, zusammengeschlagen. Daniil Koslow, Chefredakteur des Moskauer Zentralasienportals Fergana, sagt, Mirsijajew pflege den selben Regierungsstil wie Karimow, vielleicht noch härter, sicherlich weniger intellektuell.

Bleibt abzuwarten, ob Mirsijajews Verwandte künftig ähnliche Schlagzeilen machen wie Karimows Familienklan. Dessen jüngere Tochter Lola wurde kurzzeitig als Präsidentschaftskandidatin gehandelt, die Ältere sorgte als Modeschöpferin und Regimekritikerin für Furore, gilt nun als verschollen.

Mirsijajew aber platzierte bereits ein Familienfoto auf Facebook: Mit Frau, zwei Töchtern, einem Sohn, zwei Schwiegersöhnen und zwei Enkeln. Genug Personal für eine neue usbekische Seifenoper.

Seit der Unabhängigkeit Usbekistans von der Sowjetunion gab es in dem 30-Millionen-Einwohner-Staat noch keine Wahl, die von internationalen Beobachtern als frei eingeschätzt wurde.

Der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, erklärte in Berlin, erneut seien elementare „Prinzipien demokratischer Wahlen und internationale Standards“ in Usbekistan „massiv verletzt worden“. „Leider sieht es ganz so aus, als würde der neue Präsident den autokratischen Kurs seines Vorgängers fortsetzen“, kritisierte der Grünen-Politiker. Russlands Staatschef Wladimir Putin gratulierte Mirsijajew hingegen „herzlich“.

Der langjährige usbekische Staatschef Karimow war am 2. September im Alter von 78 Jahren gestorben.

Er hatte die ehemalige Sowjetrepublik seit der Unabhängigkeit 1991 mit harter Hand regiert. Nach seinem Tod war die vorgezogene Präsidentenwahl angesetzt worden.

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