Kommentar zur Flüchtlingsproblematik Mehr Pragmatismus

Meinung | Bonn · Pragmatismus gilt nicht viel in Zeiten der Aufgeregtheit. Das Interesse hielt sich demnach auch in Grenzen, als unlängst 36 große deutsche Firmen eine Initiative gründeten, um die Integration von Flüchtlingen zu unterstützen.

Sie stellen Mitarbeiter fürs Ehrenamt frei, bieten Praktika an, spenden Geld. Reine PR, könnte man kritisieren. Man könnte aber auch einfach anerkennen, dass sich diese Unternehmen langfristig für unsere Gesellschaft engagieren, indem sie dem Schlagwort Integration Taten folgen lassen.

Denn die – berechtigt – geführten Dauerdiskussionen um kriminelle Flüchtlinge, belegte Turnhallen oder die Sinnhaftigkeit von Asyl-Obergrenzen lassen oftmals einen simplen Fakt aus den Augen verlieren: Die Flüchtlinge sind da. Und es werden noch mehr kommen – ob es dem einzelnen Bürger passt oder nicht. Die Integration dieser Menschen ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben, und sie ist nicht von der Politik alleine zu stemmen.

Zusätzliche Milliardenausgaben für Sprachkurse, Wohnraum und mehr Personal in den Behörden sind notwendig. Aber sie sind nicht alles. Bürgerschaftliches Engagement muss wieder stärker anerkannt und nicht als naives Gutmenschentum verunglimpft werden.

Ja: Es wird keine leichte Aufgabe. Unsere Werte lassen sich nicht dadurch vermitteln, dass jedem Flüchtling ein Grundgesetz in die Hand gedrückt wird und er auf einem Blatt Papier ein Bekenntnis zur Gleichberechtigung unterschreibt. Sie lassen sich nur dadurch vermitteln, dass sich Deutsche und Flüchtlinge kennenlernen, miteinander reden, arbeiten, zur Schule gehen. Es wird dauern, bis sich Menschen aus den anderen Kulturen in Deutschland einfinden. Manchen wird es nie gelingen. Auch das gehört zur Wahrheit.

Wer Integration nicht aus humanitären Motiven befürwortet, kann es letztlich auch aus reinem Eigennutz tun: Die Alternativen heißen Ghettobildung, Massenarbeitslosigkeit und Parallelgesellschaften. Die Ausgrenzung der „Gastarbeiter“ in den 60er Jahren, die dann doch meist blieben, hat gezeigt, was heute anders gemacht werden muss. Die Zeit läuft. Schleppende Asylverfahren, die Menschen zu untätig Wartenden degradieren, sind Gift für die Eingliederung.

Zu oft haben Politiker eher den deutschen Wähler als den Flüchtling im Blick, wenn sie von Integration reden. Mit ihrem – inzwischen relativierten – Angriff auf den Mindestlohn konnte die CDU endlich wieder einmal gegen das ungeliebte SPD-Werk wettern.

Die Einwanderer jedoch hält gerade in wirtschaftlich erfolgreichen Regionen wie bei uns in aller Regel nicht der Mindestlohn vom Arbeitsmarkt fern, sondern ein geradezu undurchdringliches Dickicht aus bürokratischen Hürden. Deren Abbau wäre zwar weniger öffentlichkeitswirksam, aber eine pragmatische Hilfe.

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