Nach Röttgens Rauswurf Merkel zelebriert den Neuanfang bei der Energiewende

BERLIN · Bevor Angela Merkel sich mit halbstündiger Verspätung im Pressesaal mit der blauen Wand den Medienfragen stellt, gibt das Protokoll die Sitzordnung aus: Die Bundeskanzlerin werde gleich von den Ministerpräsidenten flankiert, weil sie als ihre eigentlichen Gäste geladen seien. Die Bundesminister säßen deshalb ganz außen. Sie spielen an diesem Mittwoch nur die Begleitmusik.

 Gute Aussichten: Ein Arbeiter sitzt in Jaenschwalde auf dem Generatorhaus einer Windkraftanlage. Ökostrom boomt.

Gute Aussichten: Ein Arbeiter sitzt in Jaenschwalde auf dem Generatorhaus einer Windkraftanlage. Ökostrom boomt.

Foto: ap

Gerade mal zwei Wochen ist es her, dass die Länder der Bundesregierung gezeigt haben, woher der Wind weht. Bei der Solarenergie haben sie den schwarz-gelben Entwurf für eine Kürzung der Subventionen mit Zwei-Drittel-Mehrheit gestoppt. Das bedeutet, dass ganz neu verhandelt werden muss. Es war eine Blamage für den Bund.

Norbert Röttgen braucht diese Blamage nicht mehr zu bekümmern, er hat ganz andere Sorgen. Er wird womöglich mit Genugtuung gelesen haben, dass Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht von der CDU dem geschassten Bundesumweltminister in einem Zeitungsinterview den Rücken gestärkt hat. Röttgen habe bei der Solarförderung "sehr viel Verständnis für die Länder gezeigt", erklärt sie. Das Problem sei vielmehr der Zwist im Bund gewesen. Das zielt auf Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler ab, der eben eine viel stärkere Kürzung der Photovoltaik-Subventionen wollte als Röttgen.

"Sie hat doch monatelang zugeguckt, wie sich Rösler und Röttgen gestritten haben", sagt der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann über die Kanzlerin. Im Ergebnis habe es einen "Anschlag auf die Solarenergie" gegeben, meint der Grünen-Politiker, der die Pressekonferenz aus gebührendem Abstand verfolgt.

Da vorn vor der blauen Wand lässt sich die Gastgeberin nichts anmerken. Als Eingeständnis von eigenen Versäumnissen können Merkels Sätze nicht verstanden werden: "Wir wollen den Erfolg, und zwar alle." Das Treffen sei "außerordentlich wichtig" gewesen, ein "Meilenstein". Und es sei ja nun auch ein "sehr konkreter Plan" entwickelt worden, wie man die Energiewende so umsetzen könne, dass die Energieversorgung "sicher, umweltverträglich und bezahlbar" werde.

Am Vortag hat die Kanzlerin noch spät mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer im Kanzleramt zusammengesessen. 16 Bundesländer, 16 Energiekonzepte, so hat es sich im ersten Jahr seit dem schwarz-gelben Atomausstieg dargestellt. Damit soll nun Schluss sein. "Die Energiewende darf nicht am Föderalismus scheitern", erklärt der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), der nun bald den Chefsessel an seinen SPD-Nachfolger abgibt.

Im Norden der Republik wollen sie am liebsten alles mit Windparks bepflastern und diesen Strom dann bundesweit exportieren, wenn denn ausreichend Energieleitungen in den Süden gebaut werden. Seehofer droht, in Bayern wolle man autark bleiben. Notfalls gründe man sogar ein staatliches "Bayernwerk".

Inhaltlich, sagen alle nach dem Gespräch mit der Kanzlerin, sei nichts besprochen worden. "Wir haben der Kanzlerin unsere Sorgen mitgeteilt", sagt Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz. Er hoffe sehr auf einen "neuen Impuls" durch das Gespräch. So hat sich die Runde auf die Struktur der künftigen Zusammenarbeit geeinigt: Mindestens halbjährliche Spitzentreffen, Arbeitsgruppen, runde Tische. FDP-Minister Rösler kündigt an, dass der Netzentwicklungsplan in der kommenden Woche vorgestellt werde. "Über 4000 Kilometer neue Leitungen sind zu bauen."

Peter Altmaier hat seinen ersten Presseauftritt als Umweltminister. Er wird viel unterwegs sein, um die "regionalen Probleme" kennenzulernen. Lösungen für die Solarförderung und die energetische Gebäudesanierung soll es bereits in zwei Wochen geben. Altmaier: "Ich fühle mich nicht besonders fremd. Es macht großen Spaß.".

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