Kommentar zu Flüchtlingsbewegungen in Europa Migrationsdruck bleibt

Meinung | Berlin · Europa versagt nach wie vor in Sachen Flüchtlingspolitik, findet GA-Korrespondentin Eva Quadbeck. Solange die illegale Route die attraktivere bleibt, verschwindet auch der Druck auf Europa nicht.

 17.05.2018, Bosnien-Herzegowina, Sarajevo: Ein Flüchtlingskind aus Syrien schläft in einem Zelt im Park gegenüber des Rathauses. Hunderte von Flüchtlingen die auf ihrem Weg über den Balkan nach West-Europa nicht weiterkommen, leben in einem provisorischen Camp in der bosnischen Hauptstadt.

17.05.2018, Bosnien-Herzegowina, Sarajevo: Ein Flüchtlingskind aus Syrien schläft in einem Zelt im Park gegenüber des Rathauses. Hunderte von Flüchtlingen die auf ihrem Weg über den Balkan nach West-Europa nicht weiterkommen, leben in einem provisorischen Camp in der bosnischen Hauptstadt.

Foto: dpa

Vorweg: Die Flüchtlingskrise kommt nicht zurück. Insgesamt sinken die Zahlen, auch wenn aktuell deutlich mehr Menschen versuchen, über Bosnien-Herzegowina nach Mittel- oder Nordeuropa zu kommen. Es ist notwendig, dass die betroffenen Balkan-Staaten und Österreich darauf reagieren. Ihre Politik kennt allerdings nur eins: Grenzen dicht. Das Versagen Europas in der Flüchtlingspolitik geht weiter – unsolidarisch, konzeptionslos, wenig humanitär.

Niemand möchte die Situation von 2015/16 noch einmal erleben, als Massen von Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika durch Europa wanderten – die meisten mit dem Ziel Deutschland. Doch das Schließen von Grenzen und ihre Bewachung mit Waffengewalt dämmt nur das Symptom des Flüchtlingszustroms ein. Den Migrationsdruck auf Europa nehmen solche Maßnahmen nicht. Wie nun die neue Bewegung über die Balkanroute zeigt, suchen sich Schlepper und ihre Kunden immer neue Wege in die europäischen Länder, in denen sie sich Schutz und ein besseres Leben versprechen.

Der Migrationsdruck wird erst nachlassen, wenn es aus Sicht der Flüchtlinge aussichtsreicher ist, auf legalem Weg nach Europa zu gelangen, als sich auf die gefährliche illegale Reise zu begeben. Arbeitsmigration und Resettlement-Programme können legale Wege eröffnen. Doch dafür müssten die EU-Staaten endlich mal an einem Strang ziehen, sich auf eine realistische und verkraftbare Migrantenzahl einigen und sie gerecht nach Bevölkerung und Wirtschaftsstärke verteilen. Deutschland müsste dabei keinesfalls mehr als 200.000 pro Jahr aufnehmen, eher deutlich weniger.

Es wäre auch besser, Frontex so auszustatten, dass die Grenzschutzagentur in der Lage ist, Europas Grenzen gegen illegale Übertritte zu sichern. Wenn sich die Praxis durchsetzt, dass sich betroffene Länder zu schnellen und harten Maßnahmen zusammenschließen, verliert die EU zunehmend ihren Anspruch, ihre Probleme nach den Maßstäben von Menschenrechten, Humanität und internationalem Recht zu lösen. Europa darf seine Grenzen nicht mit Guerilla-Methoden verteidigen. Das wäre dieser Wertegemeinschaft unwürdig.

Auch für Deutschland sind die anhaltend hohen Flüchtlingszahlen eine Dauer-Belastungsprobe. Derzeit liegen sie auf einem Niveau, dass der im Koalitionsvertrag festgeschriebene Grenzwert von höchstens 220.000 nicht überschritten wird. Eine neue krisenhafte Zuspitzung kann die Marke aber leicht knacken. Sollte sich im Herbst rund um die Bayern-Wahl ein Überschreiten dieser Zahl, die die CSU immer noch Obergrenze nennt, abzeichnen, werden alte Gräben wieder aufbrechen. Dann werden CDU und CSU die Frage diskutieren, ob an der deutschen Grenze immer noch hereingelassen wird, wer „Asyl“ sagt. Ein solcher Streit wäre eine Bedrohung für die Koalition.

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