Saarlands Ministerpräsident im Interview Ministerpräsident Hans: „Seehofer sollte zurückrudern“

Mit Streit in der Union gewinnt man weder Bundestags- noch Landtagswahlen, mahnt der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans. Mit ihm sprachen Gregor Mayntz und Eva Quadbeck.

 Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlands und aktueller Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz.

Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlands und aktueller Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz.

Foto: dpa

Herr Hans, könnte es sein, dass die CDU bald eine neue Chefin braucht? Und dass diese Rolle Ihre Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer übernimmt?

Hans: Ich glaube nicht, dass die CDU bald eine neue Chefin braucht. Sowohl das CDU-Präsidium als auch die CDU-Abgeordneten haben Merkel jetzt den Rücken gestärkt und ihr das Vertrauen ausgesprochen.

Brauchen Sie denn einen neuen Innenminister, wenn Horst Seehofer gegen den Willen der Kanzlerin agiert?

Hans: Mit Streit in der Union gewinnt man weder Bundestags- noch Landtagswahlen. Und man gewinnt auch kein Vertrauen bei den Menschen zurück. Der Bundesinnenminister war doch mit seinen 63 Punkten auf einem guten Weg. Warum jetzt an einer einzigen Frage, der Zurückweisungen, ein solch zentraler Streit festgemacht wird, das wird man den Wählern nicht vermitteln können. Ich appelliere an den Bundesinnenminister, in dieser Frage zurückzurudern und sich mit der Kanzlerin zusammenzusetzen, damit wir als Union eine gemeinsame Lösung finden.

Die CSU sagt, die Leute hätten die Geduld verloren. Spüren Sie das auch?

Hans: Natürlich. Aber wenn es drei Jahre gedauert hat, eine Normalisierung im Umgang mit der steigenden Zahl an Asylsuchenden hinzubekommen, dann muss man die nächsten 14 Tage jetzt auch noch abwarten können.

Wenn Merkel die EU-Regelung in 14 Tagen nicht hinbekommt, sollte dann trotzdem zurückgewiesen werden?

Hans: Wir sind uns doch einig, dass wir zurückweisen wollen. Bei denen mit abgelehnten Asylanträgen ist das eine Selbstverständlichkeit…

Das sollte auch sofort passieren oder erst in 14 Tagen?

Hans: Auch darüber muss man vorher bilateral reden. Denn im Kern geht es bei unserem Streit gar nicht um die Zurückweisungen selbst, sondern nur darum, ob es jetzt sofort losgeht, wie es die CSU will, oder ob es geordnet im Rahmen einer europäischen Lösung abläuft, wie wir es wollen. Natürlich erwarte auch ich nicht dabei die große europäische Lösung. Merkels Ansatz ist sehr viel pragmatischer. Sie verkennt nicht, dass es europakritische Länder gibt und dass wir trotzdem mit ihnen zu Lösungen kommen müssen. Am meisten gewirkt hat doch der EU-Türkei-Deal…

…und dass die Südosteuropäer die Grenzen dichtgemacht haben…

Hans: Sicherlich hat das die Situation hierzulande erleichtert, aber nicht an den EU-Außengrenzen. Da ist sehr viel Leid entstanden. Aber so wie wir mit Herrn Erdogan eine Vereinbarung hinbekommen haben, obwohl er nicht unser engster Freund ist, werden wir doch wohl auch mit den Europäern, wie zum Beispiel Italien, eine Verständigung erzielen können.

Was aber teuer werden dürfte.

Hans: Was ist die Alternative? Wenn wir jetzt direkt und ungeordnet zurückweisen, wird das dazu führen, dass Italien und Griechenland erst mal gar keine Flüchtlinge mehr registrieren.

Können wir festhalten: Ab dem 1. Juli soll zurückgewiesen werden, wenn es bis dahin keine europäische Lösung gibt?

Hans: Wenn es nicht gelingt, mit den anderen europäischen Staaten eine Lösung zu finden, dann ist es doch nur konsequent sich darüber Gedanken zu machen, ob es dann die ultima ratio ist, auch ohne Abkommen zurückzuweisen. Das hat aber nichts mit der ungeordneten Art und Weise zu tun, über die wir reden würden, wenn wir ab Montag loslegen würden. 14 Tage später könnten sich alle Staaten darauf einstellen. Jetzt ist es wichtig, der Kanzlerin erst einmal eine gute Verhandlungsposition mitzugeben. Wenn man dagegen mit geschaffenen Tatsachen in solche Gespräche geht, ist die Verhandlungsposition eine schlechte. Deswegen gilt es jetzt, den EU-Rat abzuwarten. Ich traue es der Bundeskanzlerin zu, dass sie ein gutes Ergebnis erzielt.

Im Saarland haben Sie schon immer eine pragmatische Flüchtlingspolitik gemacht. Bei Ihrer Vorgängerin im Amt, der heutigen CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer, hatte man den Eindruck, dass sie wie Merkel redet und wie Seehofer handelt. Machen Sie das auch so?

Hans: Wir setzen im Saarland bereits seit Jahren auf das Sachleistungsprinzip. Das haben wir auch in Zeiten geringer Migration schon so gemacht. Im Saarland gibt es eine zentrale Aufnahmestelle, die alle Flüchtlinge durchlaufen müssen. Die Verfahrenszeiten sind kurz. Damit bei anerkannten Flüchtlingen der Umzug in die Kommunen gelingt, pflegen wir ein engmaschiges Netzwerk mit den Wohlfahrtsverbänden. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden auf ihr Lebensalter überprüft. Dies erfolgt in einer zentralen sogenannten Vor- Clearingsstelle.

Mit Röntgen?

Hans: Ja. Wir lassen es nicht zu, dass uns jemand die Unwahrheit über sein Lebensalter sagt. Die Überprüfung sorgt für Sicherheit, für Klarheit und vor allem für Akzeptanz in der Bevölkerung. Diese Akzeptanz ist uns deutschlandweit verloren gegangen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die Bundesländer die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Ankerzentren einrichten. Die SPD muss sich in den Ländern dazu bekennen. Ansonsten bekommen wir den gesellschaftlichen Frieden in der Migrationsfrage nicht hin.

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