US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney diskreditiert sich selbst

WASHINGTON · Obama-Herausforderer Mitt Romney bleibt sich selbst der größte Feind. Sieben Wochen vor der Präsidentschaftswahl in Amerika verstrickt sich der Republikaner immer tiefer in eine Serie von Pannen und Peinlichkeiten.

 Rudert zurück: Mitt Romney beantwortet Pressefragen zu dem heimlich aufgenommenen Video.

Rudert zurück: Mitt Romney beantwortet Pressefragen zu dem heimlich aufgenommenen Video.

Foto: ap

Nach seinen Äußerungen zu den Gewaltausbrüchen im Nahen Osten, die in den US-Medien überwiegend als Beleg für außenpolitische Unfähigkeit bewertet wurden, bringt ihn jetzt eine ungefiltert auf Video festgehaltene Wählerbeschimpfung in Misskredit.

Bei einer privaten Spendengala Mitte Mai in Florida sagte Romney, dass rund die Hälfte aller Wähler "so oder so für Obama stimmen werden, weil sie vom Staat abhängig sind, weil sie sich für Opfer halten, die glauben, der Staat trage Verantwortung für sie, weil sie glauben, dass sie einen Anspruch auf Krankenversicherung, Essen und Wohnen und was auch immer haben".

Seine Aufgabe sei es nicht, sich "um diese Leute zu kümmern, die keine Einkommenssteuer zahlen", sagte Romney.

Das mit versteckter Kamera aufgenommene Video, vom Magazin "Mother Jones" veröffentlicht, verursacht seit Montagabend einen Sturm der Entrüstung. Das Obama-Lager spricht von "schockierenden" Einlassungen, die zeigten, dass Romney den Amerikanern Abzocker-Mentalität unterstellt. Tatsache sei, dass die Mehrheit der von Romney abgeschriebenen 47 Prozent sehr wohl Steuern zahlten.

Romneys eigene Strategen, intern laut Medienberichten über die Positionierung Romneys zerstritten, versuchten, die "beleidigende und spaltende Sicht" (Los Angeles Times) des mehrfachen Millionärs einzufangen. Mitt Romney sei daran gelegen, "alle Amerikaner aus der Abhängigkeit von staatlichen Hilfen zu bringen, indem er zwölf Millionen neue Jobs schafft", sagte Sprecherin Gail Gitcho.

Romney selbst erklärte bei einem Wahlkampf-Termin in Kalifornien, er nehme in der Sache nichts zurück, seine Wortwahl sei gleichwohl "nicht sehr elegant" gewesen.

Demoskopen halten die neuen Tiraden Romneys für brandgefährlich. Sie zeigten "die große Distanz des Kandidaten zu den Lebenslagen weiter Teile der Bevölkerung", schreiben nicht nur Leitmedien wie die "New York Times", die Romney offen "Inkompetenz" vorhalten, sondern auch Regionalzeitungen wie der "Plain Dealer" in Cleveland/Ohio.

Bereits zuvor bescheinigten seriöse Meinungsumfragen Romney klare Rückstände um die fünf Prozent auf den Amtsinhaber. Vor allem in entscheidenden Bundesstaaten wie Ohio, Virginia und Florida hat der Multimillionär an Ansehen deutlich eingebüßt.

Nach heutiger Berechnung würde Obama alle drei Staaten gewinnen und damit nach Ansicht von Wahlforschern die nötigen 270 Stimmen im Wahlmänner-Gremium bekommen, das Anfang Dezember den Präsidenten bestimmt.

Die renommierte Internetseite "Politico" stellte in ihren Foren bereits die Frage zur Debatte: "Ist die Wahl schon gelaufen?" Querschnitts-Antwort: Romney hat aus dem Parteikonvent der Republikaner in Tampa keinen Honig saugen können. Seine politischen Konzepte bleiben vage. Dazu kommen Patzer wie seine Obama-kritischen Töne zu den tödlichen Kollateralschäden des weltweit für Unruhe sorgenden Anti-Islam-Videos.

Fazit der allermeisten Kommentatoren: Gelingt Romney bei den drei anstehenden Fernsehdebatten, die nach Schätzungen von Meinungsforschern ab 3. Oktober zwischen 60 und 80 Millionen Amerikaner sehen werden, keine Wende, dann bleibe das Weiße Haus in demokratischer Hand.

Als besorgniserregend, konstatiert das konservative "Wall Street Journal", müsse die Romney-Kampagne empfinden, dass der ehemalige Manager in seiner Domäne, der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, mittlerweile von Obama überholt wird. Das im Republikaner-Lager den Takt angebende Blatt bringt seit Tagen den in Parteikreisen verbreiteten Verdruss über den "Mangel an Substanz" auf den Punkt.

Romney möge mit der Phrasendrescherei aufhören ("ich werde Amerika zu alter Größe führen") und endlich erklären, wie er sich in punkto Arbeitsmarkt, Steuern, Staatsverschuldung und Bürokratie-Abbau von Obama unterscheiden will.

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