Zu radikal Mitt Romney sucht Abstand zu seinem Vize-Kandidaten Paul Ryan

WASHINGTON · Es war nur ein einziger Satz. Und schon war für die wahlkämpfenden Demokraten in Amerika die Sollbruchstelle für die nächsten Wochen zwischen Mitt Romney und seinem frisch erkorenen Vize-Kandidaten freigelegt. "Ich habe meinen eigenen Haushaltsplan", sagte der Herausforderer von Barack Obama im allerersten Duo-Interview mit Paul Ryan beim Fernsehsender CBS, "und diesen Haushaltsplan werden wir umsetzen."

Mitt Romney sah sich zu der ersten Distanzierung von dem 42-jährige Finanz-Experten genötigt, weil Ryans Umbauprogramm für den Schulden- und Sozialstaat Amerika bei weitem über das hinausgeht, was die republikanische Partei am 6. November den Wählern zumuten will.

Seine Kürzungsvorschläge für die staatlichen Krankenversicherungen für Senioren und Arme (Medicare und Medicaid), die nach seinem Willen eingestellt oder teilprivatisiert und damit demographiefester gemacht werden sollen, sind nach landesweiten Umfragen zur Zeit reichlich unpopulär.

Gerade in Bundesstaaten wie Iowa, New Hampshire, Ohio, Virginia, Pennsylvania und Florida, wo die Wählergruppe 60plus ein wichtiger Faktor ist, sagen Meinungsforscher der renommierten Quinnipiac-Universität in Connecticut, könne sich das für Romney an der Wahlurne negativ auswirken.

Zumal die Demokraten beharrlich an der These stricken, dass Ryans Systemumbau für älter werdende Generationen Mehrkosten von mehreren tausend Dollar im Jahr bedeuten würde. Mehrfach danach befragt, in welchen Details er sich von Ryans seit Monaten in Washington kursierenden Vorstellungen unterscheide und wie er beunruhigte Wähler in den kommenden Wochen für sich gewinnen wolle, wich Romney in Interviews angesäuert aus.

David Axelrod, Obamas Chef-Stratege, schaltet sofort auf Angriff. Mit Ryans Nominierung mache sich Romney dessen Konzept vollständig zu eigen. "Und danach sieht es eben so aus, dass Medicare, wie wir es heute kennen, abgeschafft werden soll." Ein heißes Eisen: In Umfragen plädierten kürzlich rund 60 Prozent der Amerikaner dafür, die Krankenversicherung für Menschen ab 65 unangetastet zu lassen.

Paul Ryan selbst bekam zum Wochenbeginn einen ersten Vorgeschmack auf das, was ihn bis zum Wahltag mit steigender Intensität erwartet. In Iowa wurde er bei einer Wahlkampfveranstaltung als Gralshüter der sozialen Kälte gescholten.

Am Dienstag rückten Medienberichte den Mann aus Wisconsin zudem in die Nähe des großen Geldes. Ryan soll 2008 Insider-Informationen aus Gesprächen mit dem damaligen US-Finanzminister und dem Notenbank-Präsidenten benutzt haben, um unmittelbar vor dem großen Banken-Crash große Aktienpakete abzustoßen, berichtete der "Guardian".

Ryans Pressestab dementierte, der Aktienverkauf sei von einem Fonds abgewickelt worden.

Schwerer noch wiegt nach Ansicht von US-Kommentatoren, dass Ryans politische Vita vom eisernen Sparer und hartnäckigstem Gegner staatlicher Hilfsprogramme "mit der Realität nicht übereinstimmt".

Als Kongressabgeordneter hat Ryan nachweislich mehrfach Bundeszuschüsse für verschiedene Projekte in seiner von Strukturwandel-Problemen geplagten Heimatstadt Janesville in Wisconsin angemahnt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort