Aus dem fulminanten Gegenkonzept wurde nichts Näher bei Merkel als bei Hollande
BRÜSSEL · Wie SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier in Brüssel sein Konzept für Auswege aus der Krise darstellt.
"Früher haben wir uns öfter gesehen", begrüßt Frank-Walter Steinmeier viele bekannte Gesichter unter den Brüsseler Journalisten. "Aber vielleicht sehen wir uns demnächst ja wieder häufiger." Es bleibt die einzige schmunzelnde Anspielung auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr. An diesem Dienstagvormittag ist der SPD-Fraktionsvorsitzende aus Berlin in die EU-Metropole gereist, um das "sozialdemokratische Konzept für Auswege aus der Krise" vorzustellen.
Das klingt nach einem rhetorischen Feuerwerk des Oppositionschefs aus dem Deutschen Bundestag, nach Alternativen und Abgrenzungen zur Bundeskanzlerin, an deren Seite er als Bundesaußenminister jahrelang das Brüsseler Parkett beackert hat.
Doch aus dem fulminanten Gegenkonzept wird nichts. Steinmeier gibt sich gemäßigt. Wie Angela Merkel fordert er Spanien auf, endlich unter dem Rettungsschirm Platz zu nehmen. "Ich sehe das Risiko, dass Spanien die Entscheidung zu spät trifft. Ich glaube, es wird dazu kommen." Auch eine Quersubventionierung der spanischen Banken aus dem Rettungsfonds, mit der sich die Madrider Regierung an lästigen Auflagen aus Brüssel vorbeimogeln könnte, will der SPD-Politiker nicht mittragen.
"Da bin ich vorsichtiger als manche andere in der Debatte", sagte er. Und sucht damit mehr Nähe zur CDU-Kanzlerin als zum neuen französischen Präsidenten François Hollande, der Steinmeiers Parteienfamilie entstammt.
Schon vor eineinhalb Jahren hätten die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament einen Wachstumspakt vorgeschlagen, sagt der Chef der SPD-Parlamentarier in der europäischen Volksvertretung, Udo Bullmann. Und auch der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europa-Parlament, Hannes Swoboda, kritisiert: "Merkel war nie gegen Wachstum, aber sie hat nichts dafür getan."
Es bleiben die einzigen beiden Seitenhiebe auf den politischen Gegner. Steinmeier attackiert nicht, er referiert - über "Deutschland, das so tut, als sei es eine Insel der Seligen. Dabei sollte man über Abhängigkeiten nachdenken. Es kann uns nicht gut gehen, wenn es unseren Nachbarn schlecht geht."
Und über den Fiskalpakt, der durch Wachstumsinitiativen ergänzt werden müsse. Selbst bei deren Aufzählung hat man zeitweise das Gefühl, Steinmeier habe Merkels Redetext vom letzten Sondergipfel vor sich: "Effizienter Einsatz der EU-Infrastrukturmittel. Mehr Kapital für die Europäische Investitionsbank. Zehn Milliarden mehr bringen 100 Milliarden zusätzliche Investitionen." Und dann natürlich die Finanztransaktionssteuer, weil "wir finanzielle Ressourcen brauchen". Da ist Steinmeier ganz Sozialdemokrat: "Für uns hängt davon alles ab."
Von Euro-Bonds will er jedoch vorerst nichts wissen. Um die Altschulden in den Krisenstaaten zu beseitigen, unterstützt er einen Schuldentilgungsfonds, wie ihn auch die Sachverständigen fordern. Alle Schulden oberhalb von 60 Prozent sollen in einen Fonds überführt werden. Eine Vergemeinschaftung sei das nicht, den "jeder bleibt für sich selbst verantwortlich." Der Schritt sei aber notwendig. "Wir brauchen Vertrauenssignale an die Märkte."
Im Übrigen komme der, der vor einer Vergemeinschaftung der Altlasten warne, ohnehin zu spät. Die habe nämlich mit den Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank "längst begonnen."