Vor Nahost-Reise Obama will Gesprächsfäden knüpfen

WASHINGTON · US-Präsident Barack Obama will im Nahe Osten deutlich machen, dass die USA ihre Maklerrolle im Friedensprozess ernst nehmen und diesen wiederbeleben wollen.

 Ein orthodoxer Jude geht an Plakaten vorbei, die US-Präsident Barack Obama mit einem traditionellen arabischen Kopftuch zeigen.

Ein orthodoxer Jude geht an Plakaten vorbei, die US-Präsident Barack Obama mit einem traditionellen arabischen Kopftuch zeigen.

Foto: AP

Ob in der Politik oder auf der Bank: Wer keinen Kredit mehr hat, muss sich um neues Vertrauen bemühen. Aaron David Miller hat sechs amerikanischen Präsidenten als Unterhändler im verminten Nahost-Konflikt gedient. Dem am Mittwoch beginnenden ersten offiziellen Staatsbesuch von Barack Obama in Israel weist der Diplomat die Bedeutung einer "Anzahlung" zu, um später ins Geschäft zu kommen.

Wie es um den ideellen Kontostand des amerikanischen Präsidenten bestellt ist, der in der ersten Amtszeit einen Bogen um Tel Aviv und Jerusalem gemacht hat, steht schwarz auf weiß geschrieben. Laut einer Umfrage der Zeitung "Maariv" empfinden 38 Prozent der Israelis Obamas Haltung gegenüber ihrem Land als "feindselig". Nur 33 Prozent sehen in dem Mann im Weißen Haus einen freundlich gesinnten Partner. Aus Washingtoner Sicht ein Missverhältnis, das auf "Missverständnissen" beruhe und korrigiert werden müsse.

500 eigens aus dem Ausland anreisende Journalisten werden bis Freitagabend verfolgen, ob die Charme-Offensive gelingt und Obama Streit und Zank mit seinem Gegenüber Benjamin Netanjahu vorübergehend vergessen machen kann. Erfahrene Nahostler wie der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger erkennen gewisse Chancen. Weil die Muslim-Bruderschaft in Ägypten und andere islamistische Kraftzentren einen substanziellen israelisch-palästinensischen Friedensvorstoß nicht unterstützen würden, so diktierte die Diplomaten-Legende Star-Reporterin Judy Woodruff sinngemäß in den Block, habe Obama gut daran getan, die Erwartungen diesbezüglich von Beginn an drastisch zu senken.

Ben Rhodes, Obamas sicherheitspolitischer Berater, konnte vor Tagen im Gespräch mit Journalisten nicht oft genug betonen, dass der Präsident keinen Friedensplan vorlegen wird. Sondern in erster Linie zuhören und Gesprächsfäden in der Region knüpfen will. Ein Abstecher nach Ramallah zu Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas und später zu Jordaniens König Abdullah, in dessen Land 500 000 syrische Flüchtlinge untergekommen sind, gehört darum auch zur Reiseroute.

Obama ist erst der fünfte US-Präsident, der während seiner Amtszeit nach Israel reist. Ronald Reagan und George Bush machten einen Bogen um das Land. Richard Nixon, Jimmy Carter und George W. Bush fuhren erst kurz vor Ende ihrer Präsidentschaft. Unangefochtener Spitzenreiter mit vier offiziellen Besuchen ist Bill Clinton. Von ihm stammt der Merksatz, dass seine wichtigste Aufgabe gewesen sei, dem israelischen Volk immer wieder zu versichern, dass Washington seine Schlüsselrolle im Friedensprozess "niemals aufgeben wird".

Obamas Überzeugungskraft scheint in dieser Hinsicht besonders gefragt. Als er sich 2009 in Kairo an die muslimische Welt wandte und auf einen Besuch Israels verzichtete, Netanjahu aber fast im gleichen Atemzug den Stopp des umstrittenen Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten abverlangte, war die Basis für das eisige Verhältnis gelegt, dass beide Staatenlenker seither verbindet und die öffentliche Meinung in Israel prägt. Als wichtigste vertrauensbildende Maßnahme gilt darum die Rede am Donnerstag, die Obama im Kongresscenter von Jerusalem vor Studenten halten wird. Zum Leidwesen der Parlamentarier in der Knesset, denen der amerikanische Präsident einen Besuch versagt.

Ziel des Weißen Hauses: der jüngeren Generation die Notwendigkeit darzulegen, warum der siechende Friedensprozess mit den Palästinensern reanimiert werden muss - und dass Washington seine Maklerrolle dabei ernst nimmt. Ausdruck dieser Haltung ist auch das sorgfältig ausgewählte Reiseprogramm. Obama wird neben der Holocaust-Erinnerungsstätte Yad Vashem sowie den Gräbern von Staatsbegründer Theodor Herzl und dem 1995 ermordeten Staatspräsidenten Jitzchak Rabin auch die Geburtskirche in Bethlehem und die berühmten Schriftrollen vom Toten Meer in Augenschein nehmen.

Symbolträchtig ist auch eine Geste, die untermauern soll, dass Obama Israel Wehrhaftigkeit und Schützenhilfe zusichert. Kurz nach der Landung wird der Präsident am Mittwoch das mithilfe des Pentagon aufgebaute Raketenabwehrsystem "Iron Dome" in Augenschein nehmen, mit dem sich Israel vor feindseligen Akten der Nachbarn schützt. Womit das heißeste Eisen der Visite ins Spiel kommt. Bezogen auf die Bemühungen Teherans, an die Atombombe zu gelangen, sagen Experten der Washingtoner Denkfabrik Brookings, wird Obamas "Kriegsvermeidungsstrategie" auf den Prüfstand kommen.

Weniger rätselhaft dagegen ein Programmpunkt, der voraussichtlich die attraktivsten Bilder der Reise erzeugen wird. Im Haus von Israels Präsident Schimon Peres trifft Obama am Donnerstag bei einem Abendessen Yiytyish Aynaw. Die 21-jährige Einwanderin aus Äthiopien wurde just zur schönsten Frau Israels gekürt. Sie ist wie Obama. Schwarz.

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