Neue Bundesvorsitzende Operation "Tango" im Karl-Liebknecht-Haus

BERLIN · Die neuen Linke-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger wollen die Partei mit einem 120-Tage-Programm neu aufstellen.

Bernd Riexinger hat seine erste Berlin-Woche hinter sich. Für den neuen Bundesvorsitzenden der Linken muss es eine Woche mit starken Eindrücken gewesen sein. Er betont es extra: eine Woche in Berlin. Das muss für den Schwaben etwas anderes gewesen sein als eine Woche in Stuttgart.

Termine ohne Ende, Vorstellungsrunden, Absprachen mit den neuen Kollegen im Karl-Liebknecht-Haus, Teilnahme am Landesparteitag der Berliner Links-Genossen. Und schließlich haben Riexinger und seine Co-Vorsitzende Katja Kipping, bisherige Parteivize und Bundestagsabgeordnete aus Dresden, im Vorstand von Partei und Bundestagsfraktion auch noch ein 120-Tage-Programm vorgelegt, mit dem die gesamtdeutsche, aber reichlich zerstrittene Linke wieder in die Erfolgsspur zurückkommen soll.

Denn in den vergangenen Monaten hatte die Partei vor allem für Negativschlagzeilen gesorgt: Streit über die Haltung zum Mauerbau, Geburtstagsgrüße für Fidel Castro nach Kuba, neue Wege zum Kommunismus ausprobieren. Vor allem aber lähmte der innerparteiliche Machtkampf die Linke. Oskar Lafontaine oder Dietmar Bartsch? Am Ende ist es keiner von beiden geworden. Worte wie "Hass" und "Spaltung" haben geschockt.

Jetzt führen Riexinger und Kipping die Partei in die nähere Zukunft und damit auch in die Bundestagswahl 2013. Zuletzt waren für die Linke bundesweit nur mehr fünf Prozent Zustimmung gemessen worden. Riexinger und Kipping wollen, dass es wieder aufwärts geht. Und Riexinger, der als Mann Lafontaines gilt, böse Zungen behaupten sogar, er sei von Lafontaines Gnaden im Amt, will sich mit dem bei der Wahl zum Vorstand unterlegenen Bartsch zusammensetzen.

Es geht auch darum, tiefe Gräben zwischen den verfeindeten ideologischen Lagern zuzuschütten, wieder Gemeinsamkeit zu entdecken und zu integrieren. Deswegen sagt der 56 Jahre alte Gewerkschafter zu dem geplanten Treffen mit Bartsch auch: "Wir werden ein gutes Gespräch miteinander führen."

Kipping, die in der Linken schon ein Netzwerk hat, und Riexinger, der sich in der Gesamtpartei noch eines knüpfen muss, werden sich die Arbeit teilen, möglichst geräuschlos. Für Riexinger wäre es schon ein Erfolg, wenn leidige Personaldebatten künftig "erstmal intern und nicht auf dem Marktplatz" geführt würden. Wer Gräben überwinden will, muss reden. Und zuhören. Deswegen betonen Kipping und Riexinger in ihrem 120-Tage-Programm für einen neuen Aufbruch auch die "Kunst des Zuhörens". Es gehe um nichts weniger als die "Fähigkeit, voneinander zu lernen".

Neben Regionalkonferenzen und Treffen mit den Landeschefs wollen die beiden Parteichefs eine gemeinsame Sommertour durch die Gliederungen der Linkspartei starten. Und dann wollen sie die Linke auch durch Inhalte einen: "als Schutzfaktor" gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und zunehmenden Arbeitsdruck, als Gegengewicht zu den Beschlüssen eines Fiskalpaktes, den Riexinger für "grundsätzlich falsch" hält. Außerdem will sich die Linke für kostenloses WLAN für alle oder die Rückgewinnung von Stromnetzen durch Kommunen einsetzen.

Trennendes lebt in der Linken vorerst weiter. Aber die neuen Chefs sehen dies nicht so kritisch. Kipping sagt, vielfach spielten "sozio-kulturelle Unterschiede" zwischen Ost und West eine Rolle. Oft sei es, wenn man die Linke-Jugend nehme, der Streit, ob am Ende eines Abends Punk oder Elektro aufgelegt werde. Sie würde ja lieber zu Tango einladen, betont Kipping. Das hat doch was: Operation "Tango" im Karl-Liebknecht-Haus.

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