Terror der Taliban Pakistan aus den Fugen

BANGKOK · Der Müllsammler auf dem Fahrrad wurde so wenig beachtet wie alle Leute seiner Berufsgattung. 14 Pakistanern, darunter sechs Militärs, wurde die Alltagshandlung zum Verhängnis. Ein als Müllsammler verkleideter Selbstmordattentäter, der den Sprengsatz zwischen lauter Abfall in seinem Sack versteckt hatte, zündete seine Bombe gestern Morgen in der Nähe des Hauptquartiers der pakistanischen Streitkräfte in der Garnisonsstadt Rawalpindi.

 Ein pakistanischer Soldat vor dem Hauptquartiers der Streitkräfte in der Garnisonsstadt Rawalpindi.

Ein pakistanischer Soldat vor dem Hauptquartiers der Streitkräfte in der Garnisonsstadt Rawalpindi.

Foto: dpa

Erst am Sonntag waren in der Stadt Bannu 20 Paramilitärs, die in die umkämpfte Region Waziristan geschickt werden sollten, einem anderen Talibananschlag zum Opfer gefallen.

"Wir fühlen uns wie im Jahr 2009", sagte gestern ein Pakistaner in der Hauptstadt Islamabad. Damals erschütterte eine Serie von Anschlägen der radikalislamischen Milizen die Hauptstadt. Unter anderem wurde das Hotel Marriott bei einem Anschlag zerstört.

Tatsächlich deuten viele Indizien darauf hin, dass die pakistanischen Talibanmilizen eine breit angelegte Terroroffensive gestartet haben. Erst vor wenigen Tagen ermordeten sie den gefürchteten Chef der Anti-Terror-Einheit der Polizei in der Wirtschaftsmetropole Karachi.

In der Stadt mit etwa 20 Millionen Einwohnern leben inzwischen mehr Paschtunen als in ihrer traditionellen Heimat im Grenzgebiet zu Afghanistan. Die Taliban finanzieren mit Entführung und der Erpressung von Schutzgeld bei ihnen einen großen Teil ihrer landesweiten Aktionen.

In der vergangenen Woche ermordeten die Taliban in Karachi außerdem drei Mitarbeiter des Fernsehsenders Express News. Die Begründung der Extremisten: Die Berichterstattung des Fernsehsenders und der im selben Haus erscheinenden Tageszeitung "Express Tribune", die auch Teile der "International New York Times" veröffentlicht, behandele die Taliban zu kritisch. "Unsere Leute sind sehr nervös", erklärte Chefredakteur Kamal Siddiqui gestern gegenüber dieser Zeitung, "wir müssen sehr vorsichtig sein."

Mit Einschüchterung und Terror haben die radikalislamischen Talibanmilizen Pakistan mittlerweile so aus den Fugen gebracht, dass die Polizei es nicht mehr wagt, Terrorakte der Extremisten zu untersuchen oder gar aufzuklären.

Die wenigen Beamten, die sich nicht einschüchtern ließen, wurden ermordet. Etwa 50 000 Pakistaner fielen laut offiziellen Angaben seit 2001 den radikalislamischen Extremisten zum Opfer, darunter mehr als 4000 Soldaten.

Angesichts ihrer erfolgreichen Einschüchterungsstrategie nehmen die Milizen nun nicht nur die wenigen Medien aufs Korn, die noch kritisch über die Extremisten berichten. Jetzt soll offenbar sogar der eigene Ziehvater, die pakistanische Armee, auf ihre Linie gebracht werden.

Islamabads Generäle hatten mit äußerster Zurückhaltung und deutlichen Warnungen auf die Ankündigung der Anfang 2013 gewählten Regierung von Premierminister Nawaz Sharif reagiert, den Dialog mit den Extremisten zu suchen. In der Nacht zum heutigen Dienstag hatte sein Innenminister Nisar Ali Khan eigentlich das Konzept der Regierung für einen Dialog vorlegen wollen.

Die Talibanmilizen reagierten fast so kühl auf die Gesprächsofferte wie die Generäle. Die Führung der Gotteskrieger machte längst deutlich, dass sie für einen islamistischen Staat am Hindukusch kämpft. Mit ihren Attacken auf die Streitkräfte wollen sie das Militär nun ebenso in die Knie zwingen wie den Rest der pakistanischen Gesellschaft.

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