Interview Peer Steinbrück: "Einladung zum Steuerbetrug"

Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte 2009 für Empörung in der Schweiz gesorgt, als er den Eidgenossen im Streit um Schwarzgeldkonten mit der Entsendung der Kavallerie drohte. Über den Schweizer Haftbefehl gegen NRW-Steuerfahnder ging es in dem Gespräch.

 "Deutsche Steuergesetze durchsetzen": Peer Steinbrück.

"Deutsche Steuergesetze durchsetzen": Peer Steinbrück.

Foto: dpa

Was sagt der frühere Finanzminister Steinbrück zu den Schweizer Haftbefehlen gegen NRW-Steuerfahnder?
Peer Steinbrück: Das ist ein, sagen wir mal, ungewöhnliches Vorgehen. Die Schweiz verwechselt immer noch Ursache und Wirkung.

Ursache ist...
Steinbrück: Die Ursache ist die Einladung von Schweizer Banken zu Steuerhinterziehung und Steuerbetrug.

Und die Wirkung?
Steinbrück: Die Wirkung ist, dass deutsche Steuerbehörden dafür Sorge zu tragen haben, dass deutsche Steuersünder strafrechtlich verfolgt werden. Vor dem Hintergrund glaube ich, dass die Schweiz immer noch nicht richtig gemerkt hat, welchem Druck sie ausgesetzt ist mit Blick auf die Offerten, die Schweizer Banken machen, um die Steuerbürger anderer Länder einzuladen, die Steuergesetze ihrer Länder zu verletzen. Das ist der eigentliche Punkt.

Aber die Schweiz fürchtet um ihre Souveränität...
Steinbrück: Es geht nicht um die Souveränität der Schweiz. Es geht um die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland dahingehend, die Steuergesetze durchzusetzen, die für unsere Bürger in Deutschland gelten.

Das heißt, das Ganze hat jetzt ein Stadium erreicht, wo sie nicht mehr nur von der Kavallerie sprechen würden, die in Marsch gesetzt werden könnte...
Steinbrück: Ich habe über die Kavallerie nur geredet, die Amerikaner lassen sie ausreiten. Die Amerikaner üben einen solchen Druck aus auf die Schweiz, dass das Bankengeheimnis ja faktisch längst gefallen ist. Das darf man den Schweizern auch mal vorhalten. Im Übrigen gibt es ein Indiz, dass Schweizer Steuerbehörden selber solche CDs auswerten. Das kann man im Internet recherchieren. Vor dem Hintergrund ist das nicht nur ungewöhnlich, was die Schweizer dort machen, sondern schlicht und einfach obskur.

Die Forderung, die Haftbefehle gegen die NRW-Fahnder zurückzunehmen, versteht sich damit von selbst?
Steinbrück: Ich erwarte von der Bundesregierung, insbesondere vom Justizministerium, und von den Justizministerien der Länder, dass sie ganz klar den Akzent darauf setzen, dass deutsche Steuerfahnder selbstverständlich von der politischen Ebene, von den politischen Institutionen gedeckt und geschützt werden.

Bedauern Sie, dass sich der Bundesfinanzminister noch nicht geäußert hat?
Steinbrück: Ja, und das finde ich schwach. Er hat auch ein schwaches Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz abgeschlossen. Das ist fehlerhaft in vielerlei Beziehungen.

Wieso?
Steinbrück: Er legitimiert durch die Altfallregelung letztlich Steuerbetrug. Zweitens: Er müsste mindestens dieselben Informationsrechte kriegen, die die Amerikaner kriegen. Deutschland bekommt aber weniger. Drittens: Die Inkraftsetzung erst 2013 wird dazu führen, dass deutsche Vermögen aus der Schweiz zwischenzeitlich ins außereuropäische Ausland in Steueroasen getragen werden.

Zur Person: Peer Steinbrück, 1947 in Hamburg geboren, studierte in Kiel Volkswirtschaft und Soziologie. In den 90er Jahren war er Minister für Wirtschaft und Technologie in Schleswig-Holstein und NRW, dann Finanzminister in Düsseldorf. 2002 löste er Wolfgang Clement als Ministerpräsident in NRW ab, von 2005 bis 2009 war er Bundesfinanzminister in der großen Koalition. Mitglied des Bundestages ist er seit 2009. Steinbrück ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Bad Godesberg.

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