Protest gegen Spar- und Reformpolitik Pfiffe für Angela Merkel in spanischer Pilgerstadt

MADRID · Nach ihrer friedlichen Wanderung über den Jakobsweg wurde Angela Merkel während ihres zweitägigen Besuchs in der spanischen Pilgerhauptstadt Santiago de Compostela von der rauen Wirklichkeit eingeholt.

 Angela Merkel und Mariano Rajoy in Santiago.

Angela Merkel und Mariano Rajoy in Santiago.

Foto: dpa

Mehrere hundert Menschen protestierten am Montag in der Nähe der Kathedrale Santiagos gegen Merkel und den konservativen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, der die deutsche Kanzlerin begleitete.

Dabei kam es zu heftigem Gerangel mit der Polizei. Santiago, Geburtsort von Rajoy, ist eine der wichtigsten Wallfahrtsstätten der Katholiken. Die Demonstranten protestierten gegen die Spar- und Reformpolitik, mit der Spanien und die EU versuchen, das Krisenland aus dem Schuldental zu ziehen.

"Keine Kürzungen", riefen die Menschen. Und "Haut ab, haut ab". Andere Kundgebungsteilnehmer versuchten vergeblich, Merkel eine Petition zu übergeben, in der eine Entschuldigung Deutschlands für die Unterstützung der rechten Franco-Diktatur gefordert wurde. Der verheerende deutsche Luftangriff auf die Stadt Guernica 1937 ist vielen Spaniern ebenfalls bis heute in Erinnerung.

Um der angekündigten Demonstration auszuweichen, wurde der Besuch Merkels in der mächtigen Kathedrale Santiagos kurzfristig vorverlegt. Im Gotteshaus umarmte die Kanzlerin, so wie es traditionell viele Pilger tun, von hinten die Statue des Apostels Jakob, der in Spanien Santiago heißt, um einen Sündenablass zu erhalten.

Die Kathedrale ist das Ziel aller Wallfahrer, die über den Jakobsweg nach Santiago wandern. Sonntag hatte Merkel zusammen mit Rajoy eine einstündige Wanderung auf dem Pilger-Jakobsweg gemacht. Unmittelbar nach dem Marsch war Merkel vor ihrem Hotel ebenfalls mit Pfiffen und Protesten begrüßt worden.

Politisch ging es bei Merkels Besuch vor allem um die noch umstrittene Besetzung einiger EU-Posten. Rajoy gelang es, Merkels Unterstützung für seinen Wirtschaftsminister Luis de Guindos zu erhalten, welcher Vorsitzender der Euro-Gruppe werden möchte.

Das Amt, welches derzeit noch der Niederländer Jeroen Dijsselbloem innehat, könnte demnächst frei werden, wenn Dijsselbloem auf einen anderen Posten in der EU-Kommission rückt. Dieses Thema dürfte auf dem EU-Sondergipfel am 30. August in Brüssel eine Rolle spielen, wo auch der neue EU-Ratspräsident bestimmt wird.

Merkel lobte die von Rajoy in Spanien eingeleiteten "harten und schwierigen" Finanz- und Wirtschaftsreformen, die zu einer Verbesserung der Lage geführt hätten. Spaniens Konjunktur zog in 2014 nach Jahren der Flaute wieder an. Neue Jobs wurden geschaffen, auch wenn die Arbeitslosenquote mit 25 Prozent immer noch erschreckend hoch ist.

Vor allem der Tourismus boomt in Spanien wie nie zuvor und wurde zum Wirtschaftsmotor. Besorgniserregend ist immer noch der hohe Kreditbedarf Spaniens: Die Staatsverschuldung steigt in diesem Jahr weiter und steuert auf 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu.

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