Italien Pier Luigi Bersani in nahezu unmöglicher Mission

Rom · Monatelang galt Pier Luigi Bersani als designierter Ministerpräsident Italiens. Die von ihm geführte Demokratische Partei (PD) lag in den Umfragen scheinbar uneinholbar vorne.

Das Ergebnis der Parlamentswahl Ende Februar bedeutete dann aber eine herbe Niederlage. Die Demokraten erzielten zusammen mit ihren Bündnispartnern zwar die meisten Stimmen, setzten sich aber nur ganz knapp als stärkste Liste durch. Dieser minimale Vorsprung hat nun vor allem zwei Konsequenzen: Am Freitag beauftragte Staatspräsident Giorgio Napolitano PD-Chef Bersani mit der Bildung einer Regierung. Als Führer der stärksten Fraktion stand dem 61-Jährigen dieses Recht beinahe zwangsläufig zu.

Ein zweiter Aspekt ist, dass der Erfolg dieser Mission mehr als zweifelhaft ist. Drei bis maximal vier Tage hat der Sozialdemokrat nun Zeit, um eine Mehrheit zu finden. Die Regierungsbildung ist schwierig, weil aus der Parlamentswahl Ende Februar drei mehr oder weniger gleich starke politische Kräfte hervorgegangen waren, die nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

Bersanis Demokratische Partei hat eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, nicht aber im Senat, dessen Zustimmung zur Bildung einer Regierung unerlässlich ist. Die Sozialdemokraten sind auf Koalitionspartner angewiesen. Vor der Wahl spekulierte Bersani auf eine Koalition mit dem Zentrumsbündnis von Mario Monti. Dieses schnitt aber so schwach ab, dass die gemeinsamen Stimmen im Senat für eine Koalition nicht ausreichen.

Der Blick geht deshalb in Richtung der beiden anderen Kräfte, die jeweils etwa ein Drittel der Stimmen bekamen: Silvio Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) und die 5-Sterne-Bewegung (M5S) des Komikers Beppe Grillo. Bersani hatte zunächst jede Zusammenarbeit mit Berlusconi ausgeschlossen. Der Ex-Ministerpräsident hatte sich für die Bildung einer Großen Koalition mit den Sozialdemokraten ausgesprochen. Beobachter erkennen darin den Versuch Berlusconis, an die Macht zurückzukehren und seine Verurteilung vor Gericht zu verhindern.

Der 76 Jahre alte Ex-Premier ist in mehreren Gerichtsverfahren angeklagt. Nach einem Bericht der Zeitung "La Repubblica" soll Berlusconi seine Zustimmung zu einer Regierungsbildung davon abhängig gemacht haben, dass ihm Straffreiheit garantiert wird. Die Versuche Bersanis, die 5-Sterne-Bewegung zu einer Zusammenarbeit zu bringen, waren gescheitert. Die M5S schließt jede Art von Vertrauensabstimmung für einen Vertreter der aus ihrer Sicht alten Partei-Nomenklatur aus.

Wie Bersani so eine Mehrheit hinter sich scharen will, ist unklar. Möglicherweise wird er versuchen, unabhängige Persönlichkeiten für eine von ihm geführte Regierung vorzuschlagen und so Abgeordnete der 5-Sterne-Bewegung auf seine Seite zu bringen. Sollte Bersanis Versuch scheitern, ist die nächste Option Napolitanos, einer über die Parteigrenzen hinweg angesehenen Persönlichkeit ein Mandat zur Regierungsbildung zu erteilen. Als Kandidat wird der neue Senatspräsident Piero Grasso genannt. Sollte auch dieser Versuch misslingen, sind Neuwahlen unausweichlich.

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