Nach dem Charlottesville-Desaster Präsident Donald Trump wird zum einsamen Herrscher

Washington · US-Präsident Donald Trump gerät im eigenen Land zunehmend in die Isolation. Republikaner, Militärs, Wirtschaftsbosse und enge Berater wenden sich nach dem Charlottesville-Desaster ab.

Donald Trump hatte nie viele Freunde; geschäftlich, politisch und privat. Nach seinem von vielen Amerikanern als skandalös empfundenen Flirt mit Neonazis und Rassisten im Gefolge der Tragödie von Charlottesville ist die Zahl derer, die dem Präsidenten im verflixten siebten Monat seines Wirkens im Weißen Haus die Stange halten, weiter dramatisch gesunken.

Dabei war die Ausgangsposition schon vor den als verharmlosend aufgefassten Äußerungen Trumps über den Auftritt von 1000 Rechtsextremisten in Virginia schwierig. Im Inland hatte der 71-Jährige durch sein oft beleidigendes, herrisches und uninformiertes Auftreten Demokraten, Medien, Sicherheitsdienste, Muslime und Afroamerikaner gegen sich aufgebracht.

Im Ausland sind unter anderem Moskau, Peking, Brüssel und Berlin (Stichwort: Nato) noch immer irritiert bis entsetzt. Dass Trump sich bei seiner Kommentierung der Ereignisse in Charlottesville zu keiner moralischen Klarheit bei der Verurteilung der Ultrarechten durchringen mochte, wirkte in den vergangenen 48 Stunden wie ein Dammbruch.

Die Absatzbewegungen im Überblick

Wirtschaft:Der Massenexodus großer Wirtschaftsführer von Firmen wie Merck, Intel oder Campbell Soup wiegt besonders schwer. Sie sehen Trumps Charlottesville-Desaster als geschäftsschädigend für ihre Unternehmen an und verließen wichtige Beratergremien. Worauf Trump besagte Runden trotzig ganz auflösen ließ. „Sein Mangel an intellektueller Neugier und Empathie macht es unglaublich schwer, als Geschäftsmann für diesen Präsidenten zu arbeiten“, sagte der Milliardär Mark Cuban, Besitzer des Nowitzki-NBA-Basketball-Teams Dallas Mavericks. Apple-Chef Tim Cook sagte, dass Trump „unsere Ideale als Amerikaner“ verraten habe.

Republikaner:Die Weigerung des republikanischen Establishments in Senat und Repräsentantenhaus, dem Präsidenten zur Seite zu springen, war auffällig. Die TV-Sender Fox News (rechts) und MSNBC (liberal) telefonierten sich am Mittwochabend die Finger wund. „Niemand wollte Trump verteidigen.“ Schlechtes Omen für die anstehenden Großprojekte (Steuerreform, Krankenversicherung etc), bei denen Trump auf das Parlament angewiesen ist. Stattdessen sagte der republikanische Analyst Gianno Caldwell live im Fernsehen unter Tränen: „Unser Präsident hat buchstäblich das Gewissen unseres Landes betrogen.“

Sicherheitsapparat: Auf Trumps bevorzugtem Kommunikationsweg Twitter erklärten die Spitzen von Armee, Marine, Luftwaffe, Nationalgarde und der Eliteeinheit Marines unmissverständlich, dass Intoleranz, Rassismus und Bigotterie nicht mit den Werten Amerikas zu vereinbaren sind. John Brennan, früher Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA, nannte Trump eine „nationale Schande“. Alle Amerikaner, die bei Vernunft seien, „müssen seine hässlichen und gefährlichen Kommentare zurückweisen“.

Weißes Haus: Die Enttäuschung in weiten Teilen der Führungsmannschaft um Trump ist mit Händen zu greifen. „Angewidert“ von den relativierenden Äußerungen des Chefs zeigte sich laut Medienberichten Top-Wirtschaftsberater Gary Cohn. Der frühere Goldman Sachs-Banker, zuletzt im Gespräch als künftiger Chef der US-Notenbank, ist jüdischen Glaubens.

Das Problem Stephen Bannon

Trumps neuer Stabschef John Kelly stand wie ein begossener Pudel daneben, als Trump vor laufender Kamera sagt, dass unter den Demonstranten in Charlottesville auch „feine Menschen“ gewesen seien. Der Ex-General, geholt, um Stabilität ins Weiße Haus zu bringen, hat von Trump seine Grenzen aufgezeigt bekommen. „Dieser Präsident lässt sich von nichts und niemandem kontrollieren“, sagte ein Insider gestern. Dazu passt: Trump selber wirkte nach seiner Rolle rückwärts, die als Verteidigungsrede für Neonazis interpretiert wurde, „wie befreit“.

Das Problem Stephen Bannon: Das Gebaren des Chefstrategen Stephen Bannon wird für Trump immer mehr zur Belastung. Auf der einen Seite lobte der bekennende Rechtsnationalist Trumps Auftritt nach Charlottesville als „Kampfansage an die Globalisten“. Auf der anderen Seite untergräbt er seinen Chef, indem er im Interview mit der linken Publikation „The American Prospect“ Neonazis und Rassisten als „Randelemente“ und „Ansammlung von Clowns“ bezeichnete. Noch schwerer wiegen Bannons Aussagen zu Nordkorea und China. Danach ist Trumps Drohkulisse gegen Diktator Kim Jong Un Unfug. „Es gibt keine militärische Lösung“, sagte Bannon dem Journalisten Robert Kuttner. Begründung: Nordkorea könne durch Vergeltung binnen 30 Minuten Millionen Menschen in Südkorea töten.

In punkto Peking outete sich der frühere Chef des Propaganda-Portals Breitbart News als wichtigster Befürworter einer Konfrontation: „Der Wirtschaftskrieg mit China ist alles. Wenn wir weiter verlieren, kommen wir in fünf, ich glaube maximal zehn Jahren an einen Wendepunkt, von dem wir uns niemals mehr erholen können.“

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