Angela Merkel in Portugal Premier Pedro Passos Coelho nimmt Kanzlerin in Schutz

LISSABON · Maximale Sicherheitsstufe, kurzfristig geänderte Fahrtrouten: Ein riesiges Polizeiaufgebot versuchte, Demonstranten auf Distanz zu halten. Trotzdem bekam Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Kurzbesuch im Euro-Schuldenland Portugal zu spüren, dass die Stimmung gespannt ist.

 Gast am Tejo: Ministerpräsident Pedro Passos Coelho im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Gast am Tejo: Ministerpräsident Pedro Passos Coelho im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Foto: dpa

Statt an jubelnden Menschen fuhr ihr Konvoi in der Hauptstadt Lissabon an Protestplakaten vorbei, auf denen geschrieben stand: "Merkel raus". Oder: "Sie wollen uns den Hals abschneiden, wie den Griechen." Mehrere tausend Portugiesen demonstrierten in Lissabon gegen den Besuch Merkels.

Dabei war Merkel nach eigenen Worten gekommen, um den Portugiesen Mut zu machen. Und um die konservative Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho auf ihrem Reformweg zu bestärken. "Auch die Demonstranten verdienen unseren Respekt", sagte Merkel versöhnlich nach einem Treffen mit Passos Coelho. Deutschland habe große Hochachtung vor dem, "was in dem Land geleistet wird". Sie wisse, dass von den Portugiesen "schmerzhafte" Opfer verlangt würden. Das Land habe "die notwendigen Veränderungen mutig umgesetzt", und dies werde auch Früchte tragen.

Merkels Optimismus findet ein geteiltes Echo im Land. Regierungschef Passos Coelho gilt zwar als enger Verbündeter Deutschlands. Er erfüllt alle Reformvorgaben der Gläubiger-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds widerspruchslos. Doch zugleich wächst der Protest gegen immer neue Sparrunden und Steuererhöhungen. Vor allem, weil die Anti-Schulden-Politik die Not im Land sichtbar verschlimmert.

In einem offenen Brief der portugiesischen Protestbewegung war Merkel als "die Hauptförderin" der Spar- und Kürzungspolitik und als "unerwünschte Person" bezeichnet worden. Sogar Portugals Bischöfe, die am Tag des Merkel-Besuchs über die Auswirkungen der Krise berieten, wetterten: Es gehe für viele Portugiesen inzwischen ums nackte Überleben - "darum, den Hunger zu bekämpfen". Der Chef des Konzerns Telekom Portugal, Henrique Granadeiro, warf Merkel vor, sie wolle in Europa "alles alleine entscheiden". Die sozialistische Opposition prangerte Merkels "Sparwahn" an.

Passos Coelho nahm Merkel derweil in Schutz: "Grund der Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen sind nicht die Forderungen Merkels", sondern sie seien Folge einer falschen Politik, welche die Schulden in die Höhe getrieben habe. Er wisse, dass der Kurswechsel für das Land nicht einfach sei, meinte Passos Coelho, "aber das ist der einzig mögliche Weg". Auch Merkel verteidigte die Reformen als Gebot der Vernunft: "Das ist kein Programm, das sich Deutschland ausgedacht hat."

Jede vierte Familie in Portugal gilt inzwischen als arm. Immer mehr Jobs brechen weg, lassen die Arbeitslosenquote auf inzwischen rund 16 Prozent steigen. Die Wirtschaftsleistung schrumpft in 2012 um etwa drei Prozent. Ein hoher Preis dafür, dass radikal staatliche Ausgaben gekürzt werden, um das Etatdefizit, welches 2010 noch bei 9,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag, bis 2014 wieder unter die Euro-Stabilitätsgrenze von unter drei Prozent zu drücken.

In 2012 werden noch rund fünf Prozent Minus erwartet. Im Frühjahr 2011 musste das hoch verschuldete Portugal unter den Euro-Rettungsschirm flüchten, um der Zahlungsunfähigkeit zu entgehen. Seitdem hält sich Portugal mit einem Notkredit in Höhe von 78 Milliarden Euro über Wasser. Nach den Plänen der Gläubiger-Troika soll Portugal im Jahr 2014 wieder auf eigenen Beinen stehen können.

Merkel gab sich optimistisch, dass der Reform-Fahrplan auch eingehalten werden könne.

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