Rupert Neudeck erhält den "Bürgerpreis der Zeitungen" Radikal mutig

BERLIN · 20 000 Euro. Natürlich behält Rupert Neudeck das Geld nicht für sich. Es geht sofort an Menschen in Not.

 Rupert Neudeck.

Rupert Neudeck.

Foto: dpa

Neudeck wäre nicht Gründer des Notärzte-Komitees Cap Anamur (1982) und des Friedenscorps Grünhelme (2003), würde er den Bürgerpreis der Zeitungen, den er gestern in Berlin als symbolischen Scheck aus den Händen des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungen (BDZV), Helmut Heinen, erhielt, nicht umgehend weitergeben.

Die Kleinstadt Zumar im Distrikt Mossul, laut Neudeck erster Ort in Nordirak, der von der Besatzung durch die Terrormiliz "Islamischer Staat" freigekämpft ist, braucht jeden Cent. Einst lebten hier 30 000 Menschen. Der Terror des IS hat die Stadt nahezu vollständig entvölkert. Jetzt kehren Kurden und Jesiden zurück - in eine Trümmerlandschaft. Neudeck stiftet den "Bürgerpreis der Zeitungen", der in diesem Jahr zum fünften Mal vergeben wurde, für den Wiederaufbau von Zumar.

BDZV-Präsident Heinen, der auch Herausgeber der "Kölnischen Rundschau" ist, sagte bei der Preisverleihung an Neudeck, Gewalt, Krieg, Flucht und Menschenrechtsverletzungen prägten gerade sehr aktuell die Nachrichten. "Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst", zitierte Heinen eine bedrückende Erkenntnis und betonte die Bedeutung der Medien bei Krisen oder Flüchtlingselend.

"Wenn in vielen Regionen dieser Erde Menschen Opfer von nie gekannter Gewalt und Unterdrückung werden, sind es die Journalisten, die für Aufklärung sorgen." Die Jury aus allen Chefredakteuren der im BDZV organisierten Zeitungen würdigte mit dem Preis Neudecks "unermüdliches Engagement für Menschen in Not". Der Vorschlag, den Bürgerpreis der Zeitungen in diesem Jahr an Neudeck, der in Troisdorf lebt, zu vergeben, kam vom "Kölner Stadt-Anzeiger", dessen Chefredakteur Peter Pauls die Feierstunde moderierte.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der die Laudatio auf den 75-jährigen gelernten Journalisten hielt, sagte, Neudeck habe "vielleicht das Größte geleistet, was ein Mensch überhaupt tun kann: Menschenleben retten." Dieser habe nach Ende des Vietnam-Krieges weit mehr als 10.000 Menschen gerettet, als er mit der "Cap Anamur" vietnamesische Flüchtlinge aus dem südchinesischen Meer fischte und vor dem sicheren Tod bewahrte.

Viele der "boat people" brachte Neudeck nach Deutschland. "Sie verdienen den allerhöchsten Respekt, den man Ihnen erweisen kann", würdigte Maas den Cap-Anamur- und Grünhelme-Gründer, der den Preis gemeinsam mit seiner Frau Christel entgegennahm. Schließlich führten beide, so Moderator Pauls, ja ein Familienunternehmen.

Dabei schreibt das Leben immer noch die schönsten Geschichten. Ironie der Geschichte: Der in Danzig geborene Neudeck wäre als Kind, dessen Familie in den Januartagen 1945 von dort flüchtete, beinahe selbst ertrunken. Ihr Glück: Sie verpassten die Abfahrt des Schiffes, das sie über Ostsee bringen sollte, um wenige Stunden. Die "Wilhelm Gustloff" sank später in den eiskalten Fluten nach sowjetischem Torpedobeschuss.

Vor einem Jahr dann eine nächste wunderbare Volte. Für Neudeck stand eine dringende Herzoperation an. Und der Kardiologe war ausgerechnet ein Mediziner, den Neudeck selbst aus Vietnam gerettet hatte. "Wir sind jetzt mit den Vietnamesen quitt", zitierte Laudator Maas den Geretteten, dessen aktueller Buchtitel sein Leben gut zusammenfasst: "Radikal leben".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Wieder ein Endspiel?
Kommentar zur krieselnden Ampel-Koalition Wieder ein Endspiel?
Aus dem Ressort
Design statt Eckbank
Nachfolge im Unternehmen: Königswinterer Möbelfirma Brune Design statt Eckbank