Großbritannien/EU Rauswurf möglich

Brüssel · Beschlüsse zur Eindämmung der Flüchtlingskrise gibt es schon lange, doch mit der Umsetzung durch die EU-Länder hapert es noch. Jetzt wächst der Druck für schnelle Taten.

Niemand wird Dimitris Avramopoulos nachsagen, dass er sich nicht um die Eindämmung der Flüchtlingswelle bemühe. Der Mann ist in der Brüsseler EU-Kommission für Migration zuständig. Es vergeht kein Tag, an dem der 62-jährige ehemalige Außenminister nicht für einen besseren Schutz der Außengrenzen eintritt. Und so ist es schon eine besondere Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet der Grieche gestern in Straßburg jenen Report vorstellen musste, den seine Beamten nach einer Vor-Ort-Besichtigung Ende November angefertigt hatten.

Das Fazit des Kommissars: „Es gibt gravierende Defizite im Management an den griechischen Außengrenzen.“ So steht es in dem Bericht, der dieser Zeitung vorliegt, aber unter Verschluss bleiben soll. Die Kommission setzte den Griechen gestern ein dreimonatiges Ultimatum. Sollten die Probleme bis dahin nicht beseitigt sein, muss laut Schengen-Vertrag über einen Ausschluss des Landes verhandelt werden.

Tatsächlich liest sich das, was die EU-Beamten bei ihrer Visite auf den beiden Inseln Chios und Samos sowie am griechisch-türkischen Grenzübergang Kastanies antrafen, wie eine unfassbare Geschichte. So werden auf den Inseln die Fingerabdrücke der Ankommenden in offenen Registrierungszentren erfasst, was vor allem bedeutet, dass den Beamten Illegale durch die Lappen gehen.

Das Risiko ist den griechischen Grenzschützern offenbar bewusst: „Die Registrierung muss dringend um die Überprüfung ergänzt werden, ob der jeweilige Migrant die Sicherheit in den Mitgliedsländern nicht gefährdet“, sagte einer der griechischen Grenzschützer. Viele schlupfen durch, aber selbst die Abdrücke, die genommen wurden, gelangen nicht in die offiziellen Polizei-Datenbanken von Europol oder Interpol sowie die des Schengen-Informationssystems.

Als die EU-Experten sich genauer umsahen, stellten sie fest, dass auf Chios von vier Fingerabdruck-Scannern zwei gar nicht funktionierten. An anderer Stelle wurden die Abdrücke mit Hilfe von Tinte und Papier genommen und erst bis zu zehn Tage später hochgeladen. Unbrauchbare Scans konnten nicht wiederholt werden. Wenn im Hafen von Samos Fähren anlegen, sollten die Fingerabdrücke der Migranten bereits übermittelt sein. Doch dafür ist auf der Insel nur ein Beamter ausgebildet und zuständig. Als die EU-Beamten eintrafen, war der Mann im Urlaub.

„Verheerend“ nennen Brüsseler Grenzschutzexperten die aufgedeckten Defizite, die man nun rasch abstellen will. Doch das müsse Athen auch zulassen, wird betont. Deutschland hatte schon vor Monaten versucht, mit zwölf Scannern auszuhelfen. Doch die standen bisher nur rum, weil sich niemand mit den Geräten auskannte oder schlicht keine Internetverbindung für die Weitergabe der registrierten Daten Einreisender verfügbar war. Nun hat die Brüsseler Behörde noch einmal 90 Scanner an die Brennpunkte geschickt. Außerdem sind seit einigen Tagen zusätzliche Beamte der EU-Agentur Frontex vor Ort, um auszuhelfen.

Genau das, so heißt es, sei auch die Linie der EU: „Wenn Griechenland die Außengrenze nicht alleine sichern kann, dann soll es sich wenigstens helfen lassen“, sagte ein Mitglied der EU-Kommission gestern. Der griechische Migrations-Kommissar hat jedenfalls keine Zweifel daran gelassen, dass man, sollte sich die Situation nicht schlagartig verbessern, über einen Ausschluss aus dem Schengen-Verbund sprechen werde.

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