Flüchtlingskrise Reisefreiheit in Gefahr

Brüssel/Amsterdam · Die Innenminister der Europäischen Union machen Druck auf Griechenland, seine Grenzen besser zu bewachen. Im Raum steht sogar der Ausschluss des Landes aus dem Schengen-Raum.

 Griechische Grenzpolizisten halten an der griechisch-türkischen Grenze nahe Orestiada Ausschau.

Griechische Grenzpolizisten halten an der griechisch-türkischen Grenze nahe Orestiada Ausschau.

Foto: picture alliance / dpa

Die Geduld ist am Ende. „Uns läuft die Zeit davon“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière schon vor Beginn des gestrigen Treffens der EU-Innenminister in Amsterdam. Bis zum Mai, wenn man über „dauerhafte Defizite“ beim Schutz der EU-Außengrenzen sprechen werde, „will ich nicht warten“.

Seine österreichische Kollegin Johanna Mickl-Leitner wurde noch deutlicher: „Wenn es der EU nicht gelingt, die Außengrenzen zu schützen, wird sich die Grenze nach Mitteleuropa verschieben.“ Soll heißen: „Griechenland muss seine Übergänge und Küsten sichern.“ Auf dem Spiel steht nicht weniger als der Verbleib des Landes im Schengen-Raum.

Tatsächlich gingen bei der Brüsseler EU-Kommission offenbar schon erste Ankündigungen ein, denen zufolge Mitgliedstaaten schon vorfühlten, ob die Behörde einer Verlängerung der Grenzkontrollen auf zwei Jahre zustimmen würde. Die Bedenken scheinen gering. Zumal Griechenland nach wie vor „seine Hausaufgaben nicht macht“, so de Maizière weiter. Mickl-Leitner: „Es ist doch ein Mythos, dass Griechenland seine Außengrenze nicht schützen kann. Das Land verfügt über die schlagkräftigste Marine in Europa.“

Athens stellvertretender Außenamtschef Nikos Xydakis bestritt das gestern nicht einmal, betonte aber, dass das mit den „Hausaufgaben machen“ leichter gesagt als getan sei angesichts der großen Zahl an Schutzsuchenden, die in dem Land ankämen. „Wir bewachen unsere Grenzen“, sagte der griechische Chefdiplomat, aber „wir werden nicht Flüchtlingsboote versenken und Frauen und Kinder ertränken.“ Allein im Januar hatte die hellenische Küstenwache rund 104 000 Menschen aus dem Wasser geholt.

Doch der Versuch einer Rechtfertigung kam zumindest bei den Ministern nicht an. „Wenn ein Land seine Pflichten nicht erfüllt, müssen wir seine Verbindungen zum Schengen-Raum begrenzen“, betonte der schwedische Innenminister Anders Ygeman. Die Brüsseler Lösung heißt: Aufwertung der Grenzschutz-Agentur Frontex zu einer echten Polizeieinheit. „Dann muss Athen diese Hilfe aber auch annehmen“, ergänzte Mickl-Leitner.

Schon zuvor will die Kommission jedoch ein Mandat zum Einsatz der neuen Einheit in Mazedonien, das direkt an der Balkanroute liegt und derzeit regelrecht überlaufen wird. Dass es gleichzeitig Entlastungen an anderer Stelle gibt, gehört zum vollständigen Bild dazu. So berichteten Kroatien und Slowenien, dass seit Sonntag kein einziger Neuankömmling mehr registriert wurde.

Doch die Innenminister mussten auch einräumen, dass der Erhalt des Schengen-Raums, um „den wir hier alle kämpfen“ (so Belgiens Innenminister Jan Jambon), nur zum Teil mit der Flüchtlingsfrage zusammenhängt. Grenzschließungen seien auch ein „notwendiges Mittel“, um sich gegen den „freien Reiseverkehr für Terroristen“ zu schützen, sagten niederländische Diplomaten am Rande des Treffens. Zumal der Chef der Europäischen Polizeibehörde Europol, Rob Wainwright, in seltener Offenheit Alarm schlug: Es gebe „allen Grund“ für die Erwartung, dass der sogenannte Islamische Staat (IS) selbst oder vom IS inspirierte Terroristen „irgendwo in Europa erneut einen Anschlag verüben“, hieß es in einem Europol-Bericht, der den Innenministern vorgelegt werde. Ziel seien wie in Paris „massenhaft Opfer in der Zivilbevölkerung“. Das neue Anti-Terror-Zentrum von Europol soll die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und möglichst auch der Geheimdienste verstärken.

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