Sensation in Virginia Republikaner-Chef verliert gegen Tea party

WASHINGTON · Der Abgesang auf die rechtspopulistische "Tea Party" innerhalb der republikanischen Partei in Amerika war offensichtlich verfrüht. Mit Eric Cantor hat die auf radikale Staats- und Steuerenthaltung pochende innerparteiliche Gegenbewegung den zweitwichtigsten Vertreter der Konservativen in der politischen Hierarchie Washingtons abgesägt. Völlig überraschend.

Die "Grand Old Party" zeigte sich am Mittwoch konsterniert. "Die Welt hat sich über Nacht gedreht", sagte stellvertretend für viele der republikanische Senator Jeff Sessions.

In einer Vorwahl mit Blick auf die Halbzeitwahlen zum Kongress im November hatte der Tea party-Kandidat David Brat, ein Wirtschafts-Professor aus Richmond, den Mehrheitsführer und Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus sensationell aus dem Rennen geworfen. Ein Vorgang, der in den USA seit vielen Jahren nicht mehr vorgekommen ist. In Cantors Wahlkreis im Bundesstaat Virginia sprach sich eine Mehrheit von 55 Prozent für Brat aus. Cantor war mit 44 Prozent chancenlos. Dabei wurde der 51-Jährige bereits als potenzieller Nachfolger von John Boehner gehandelt. Der einflussreiche "Speaker" des Unterhauses ist nominell der dritte Mann im Staate, hinter Präsident Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden. Gestern wurde bekannt, dass Cantor Ende Juli zurücktreten will.

US-Medien beschrieben die Personalie gestern als "Erdbeben aus heiterem Himmel". Der Schaden für die zuletzt wieder mehr auf Vermittlung und Kompromissbereitschaft setzenden etablierten Republikaner sei "immens", hieß es in hitzigen Diskussionsrunden des TV-Senders CNN.

Hintergrund: In fünf Monaten stehen im Repräsentantenhaus, wo die Republikaner über eine klare Mehrheit verfügen, alle 435 Sitze zur Neuwahl an. Brats Sieg könnte anderen Kandidaten der Tea Party, die mit Vorliebe moderate Parteifreunde rechts überholen, Auftrieb geben.

Brat hatte mit Hilfe einflussreicher Radio-Moderatoren wie Laura Ingraham Cantor liberale Anflüge bei der Einwanderungs-Reform angedichtet. Cantor hatte sich zuletzt im Sinne der Politik Obamas dafür eingesetzt, einem nennenswerten Teil der zwölf Millionen illegalen Einwanderer nachträglich die amerikanische Staatsbürgerschaft zu gewähren. Vor allem Einwanderer, die im Kindesalter illegal aus Lateinamerika gekommen waren, sollten so einen gesicherten Status erhalten - sofern sie nicht vorbestraft sind und einer geregelten Arbeit nachgehen. Im radikalen Spektrum der republikanischen Partei gilt das als "unhaltbare Belohnung" und "Teufelswerk". Eine Verabschiedung der Reform bis zum Ende der Amtszeit Obamas Ende 2016 erscheint damit aussichtslos.

Die "Tea Party" hat mit der Ausbootung Cantors einen fulminanten Sieg errungen. Sie hat bereits seit vier Jahren starken Einfluss auf die US-Politik. Sie verlangt, dass der Staat radikal spart, insbesondere bei den Sozialleistungen, die Steuern weiter senkt und die Bürger am besten gar nicht mit Gesetzen und Vorschriften behelligt. Im Zuge der Haushaltsstreitigkeiten vor einem Jahr waren es vor allem die "Tea Party"-Anhänger bei den Republikanern, die Amerika durch ihre Blockadehaltung im Parlament an den Rand eines Staatsbankrotts brachten. Zuletzt hatten gemäßigtere Konservative Boden gut gemacht und sich bei parteiinternen Ausscheidungen vereinzelt gegen Tea-Party-Radikale durchgesetzt.

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