Nach Finanzstreit in den USA Republikanischer Senator entschuldigt sich beim Volk

WASHINGTON · Als sich die Niederlage anbahnte, schickte der Verlierer dieses historischen Abends von Washington den Mann mit der größten Glaubwürdigkeit ans Mikrofon draußen vor der großen Freitreppe am Kapitol. Senator John McCain übernahm die Aufgabe, sich im Namen der republikanischen Partei beim amerikanischen Volk zu entschuldigen.

John McCain, Senator aus Arizona, ein kleiner, sehniger Mann, der in Vietnam im Folterkäfig der Vietcong saß und einst gegen Barack Obama kandidierte, übernahm die Aufgabe, sich im Namen der republikanischen Partei beim Volk zu entschuldigen. Für zweieinhalb Wochen Stillstand. Für Nervenkrieg. Für Beinahe-Staatspleite. Für Parteigezänk.

Und wofür? Für eine Bilanz, die "jämmerlicher" kaum hätte ausfallen können. Die "Grand Old Party" (GOP) wollte im Finanzstreit Obamas revolutionäre Krankenversicherung aus den Angeln heben. Am Ende liegen die Republikaner selbst auf der politischen Intensivstation, mit leeren Händen. Beschimpft von einem konservativen Kommentariat, das in der Partei eine "Selbstmord-Abteilung" erkennt, in der "Irre das strategische Ruder übernommen haben". Abgestraft von einer Umfragen-Öffentlichkeit, der Fußpilz und Hunde-Exkremente weniger schlimm erscheinen als die Arbeitsproben, die (nicht nur, aber vor allem) republikanische Abgeordnete seit Wochen abliefern.

Für den alte Fahrensmann McCain ein Signal zur Zäsur. "Wir haben alles falsch gemacht. Beim nächsten Mal müssen wir es richtig machen." Das nächste Mal ist in acht Wochen. Bis Mitte Dezember müssen sich Demokraten und Republikaner auf ein langfristiges Konzept einigen, wie die mit 16,7 Billionen Dollar hoffnungslos überschuldeten USA in die Zukunft navigieren sollen.

[Video] Damit nicht wieder auf den letzten Drücker erpresst und gefeilscht wird; mit dem ganzen Land als Geisel. Werden die selbsternannten "Bravehearts" um den texanischen Senator Ted Cruz, der als Anführer der von der radikalen Tea-Party inspirierten Blockade-Fraktion gilt, sich diesmal disziplinieren lassen? Wer den 52-jährigen am Mittwochabend hörte, den beschleichen Zweifel. Obamas Gesundheitsreform, donnerte der redegewandte Staatsverächter, sei unverändert das "größte Übel", weil es den einzelnen zu Subjekten staatlicher Direktiven mache. Mit Blick auf die im Januar/Februar 2014 erneut anstehenden Verhandlungen über Staatshaushalt und Kreditrahmen wurde das innerhalb der Partei als Kampfansage empfunden. "Die Tea-Party und ihre mächtigen Geldgeber lassen nicht ab von ihrem alles Soziale schleifenden Sparkurs", schreiben Blogger des Internet-Magazins "Slate".

Peter King, gemäßigter Republikaner aus New York, schaltete auf Gegenangriff. Cruz und seine 50 Getreuen ("Cruzniks") im Parlament seien verantwortlich für den beispiellosen Ansehensverlust der Republikaner. Adressiert waren die Worte an einen: John Boehner. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, formal der drittmächtigste Mann in Amerika, hat den "jungen Wilden" nach dem Geschmack der Zentristen in der Partei zu lange zu viel Raum gegeben. "Der Schwanz hat mit dem Hund gewedelt", sagt Peter King. Boehners Zuchtmeister-Qualitäten sind umstritten. Der Hobby-Golfer aus Ohio meidet den Affront. Ted Cruz, heißt es, wird dies nutzen, um im Winter eine Wiederholung des Dramas von Washington zu inszenieren.

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