Rechte der Verbraucher Richter legen Google und Co. an die Leine

BRÜSSEL · Die Rechte der Verbraucher im Internet werden gestärkt. Europas Bürger könnten verlangen, Seiten aus den Suchergebnissen zu streichen

Es ist der Tag, an dem das Internet ein anderes wurde: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat gestern das "Recht auf Vergessen" im Netz ausdrücklich bejaht und Betreibern von Suchmaschinen wie Google ihre Grenzen aufgezeigt. Sie sind künftig verpflichtet, auf Antrag von Nutzern Informationen aus ihren Einträgen zu entfernen. Weigert sich ein Betreiber, kann der Bürger dies über die nationalen Aufsichtsbehörden erzwingen.

"Das ist ein Meilenstein in der Geschichte des Datennetzes", kommentierte der Spitzenkandidat der europäischen Liberalen für die Europawahl, Guy Verhofstadt. "Dieses Urteil hat das Potenzial, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen erheblich einzuschränken und damit auch die Auffindbarkeit von Informationen im Netz zu beeinträchtigen", sagte dagegen der Experte für Internetrecht, Rechtsanwalt Thomas Stadler.

Das Verfahren hatte ein Spanier ausgelöst, dessen Grundstück 1998 zwangsversteigert worden war (Rechtssache C-131/12). Über den Vorgang hatten zunächst zwei heimische Zeitungen berichtet, deren Artikel dann von Google übernommen wurden. Seither tauchte bei der Eingabe des Namens in der Suchmaschine automatisch als Ergänzung ein Hinweis auf die Immobilienpfändung auf, obwohl der Fall längst abgeschlossen worden war - ein Vorgang, der in Deutschland untersagt, in Spanien aber erlaubt ist.

"Ein Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen sowie des Rechtes auf Schutz personenbezogener Daten", befanden die Richter. Wer eine Suchmaschine im Internet betreibe, verarbeite im Sinne der europäischen Datenschutz-Richtlinie Daten und sei deshalb auch für sie "verantwortlich". Zwar gebe es auch ein Interesse der Öffentlichkeit an zurückliegenden Informationen. Das aber werde durch das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre begrenzt. Denn ein User könne ansonsten "ein mehr oder weniger detailliertes Profil der gesuchten Person" erstellen.

Google und Co. seien deshalb verpflichtet, auf Antrag entsprechende Einträge zu löschen. "Wegen seiner potenziellen Schwere kann ein solcher Eingriff nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung der Daten gerechtfertigt werden", erklärte der EuGH.

Vor fast genau einem Jahr hatte bereits der Bundesgerichtshof (BGH) ähnlich geurteilt. Schon damals forderten die deutschen Richter Google auf, Ordnung in die sogenannte Autocomplete-Funktion zu bringen. Geklagt hatte die Ehefrau von Ex-Bundespräsident Christian Wulff, über deren Vorleben Gerüchte im Umlauf waren, die bei der Eingabe ihres Namens quasi automatisch angeboten wurden.

Nach weiteren gravierenden Fällen von Verstößen gegen den Persönlichkeitsschutz musste Google seine Ergebnisliste bearbeiten. Allerdings ist das Urteil von gestern wohl nur der erste Schritt zum "Recht auf Vergessen". Nach Auffassung des EuGH kann der User von Suchmaschinen-Unternehmen lediglich verlangen, die Links auf entsprechende Inhalte zu entfernen.

Dieser Löschvorgang bezieht sich jedoch nicht auf die Inhalte selbst, die allerdings nicht mehr so einfach wie bisher gefunden werden können. Die IT-Rechtsexpertin Christiane Bierekoven von der Kanzlei Rödl & Partner sagte unserer Zeitung: "Diese Entscheidung ist ein Paukenschlag." Google, Bing und andere müssten nun mit einer regelrechten "Klagewelle" rechnen.

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