Krisenstaat Ägypten Ruf nach Stopp der US-Militärhilfe wird lauter
WASHINGTON · Militärdiktatur, Demokratieversuch II oder Bürgerkrieg? Für die amerikanische Regierung ist die Zukunft Ägyptens unter Führung der umstrittenen Generalität nicht vorhersehbar. Die Aussicht auf Freilassung des früheren autokratischen Staatschefs Mubarak bei fortgesetzter Inhaftierung des gestürzten Präsidenten Mursi hat die Lage noch unübersichtlicher gemacht. Präsident Obama versucht Zeit zu gewinnen. Er belässt es bisher bei Mahnungen und symbolischen Akten wie der Absage von Militärübungen.
Im Kongress wächst der Unmut. Der Ruf nach einem Stopp der US-Militärhilfe wird auch unter den Obama-feindlichen Republikanern lauter. Die Regierung zögert - aus vielen Gründen. Die jährlichen Zuweisungen von 1,5 Milliarden Dollar, rund 200 Millionen davon für zivil-humanitäre Hilfen, "zementieren" nach den Worten des früheren Präsidentenberaters Brent Scowcroft den 1979 angebahnten Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel. Eine Aussetzung der Militärhilfen, etwa die diskutierte Verzögerung bei der Lieferung von Panzern, F-16-Jägern und Apache-Hubschraubern, könnte die Generäle in Kairo "weiter verstimmen und handfeste amerikanische Interessen beeinträchtigen", sagen Experten der Washingtoner Denkfabrik Brookings. Ägyptens Luftraum ist für die USA mit Blick auf die Versorgung der Truppen in Afghanistan und diverse Anti-Terror-Einsätze von elementarer Bedeutung.
Das gilt ebenfalls für den von Ägypten kontrollierten Suezkanal, durch den Öl-Lieferungen und Kriegsschiffe kommen. Größtes Interesse an der Fortsetzung der Geldzahlungen hat (neben der US-Waffenindustrie, bei der Kairo Stammkunde ist) Israel. Im gegenteiligen Fall, so ließen Vertreter israelischer Lobby-Gruppen in Washington durchblicken, sei die zuletzt erfolgreiche Kooperation zwischen Kairo und Tel Aviv bei der Bekämpfung islamistischer Netzwerke an der Grenze zwischen beiden Ländern gefährdet.
Für den Fall, dass Obama die Gelder auf Eis legen sollte, rechnen Fachleute damit, dass Saudi-Arabien (bereits geschehen), Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar einspringen werden, begleitet von Russlands Präsident Putin, der keine Gelegenheit auslässt, um Amerika zu provozieren.