Bundesfinanzminister Schäuble unter Druck: Wann stoppt der Staat die kalte Progression?

BERLIN · Vor ihrem Abmarsch in die jährliche Sommerauszeit sprach die Kanzlerin auch in dieser Sache noch einmal Klartext. Abbau der sogenannten kalten Progression, wegen der Arbeitnehmer häufig trotz Gehaltserhöhung weniger Netto haben?

 Will das Geld nicht herausgeben: Wolfgang Schäuble.

Will das Geld nicht herausgeben: Wolfgang Schäuble.

Foto: dpa

Zwar werde die große Koalition 2015 einen Haushalt vorlegen, der erstmals seit 46 Jahren ausgeglichen sei, aber trotzdem gebe es keinen Spielraum zum Abbau der kalten Progression. Im Übrigen sei die Inflationsrate augenblicklich "sehr, sehr gering, sodass sich der Effekt der kalten Progression nicht so dramatisch auswirkt". Angela Merkel hatte gesprochen.

Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte verstanden. Keine Zeit für etwaige Steuergeschenke, die hier gerade Teile der Mittelschicht entlasten würden, die mit dem Phänomen des sogenannten Steuerbauches besonders zu kämpfen haben.

Doch Deutschlands oberster Kassenwart gerät in diesen Tagen wegen der kalten Progression unter Druck. Die Steuereinnahmen sprudeln wie nie, doch der Staat nimmt kalt, was seine Bürger sich vorher erarbeitet haben. Auch ein Grund, warum in der vergangenen Woche erst die Mittelstandsvereinigung der Union und dann auch der Arbeitnehmerflügel den Abbau der kalten Progression verlangten. Schlagzeilen, wie gemacht für die parlamentarische Sommerpause.

Inzwischen aber nimmt der Zahl der Rufer zu. Auch beim Koalitionspartner SPD lassen führende Vertreter den 71-jährigen Finanzminister wissen, dass sie, anders als Merkel, sehr wohl Spielraum sehen, die Steuerkurve so zu gestalten, dass Arbeitnehmern künftig von einem Gehaltsplus tatsächlich noch Geld übrig bliebe.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) machte jetzt deutlich, dass er Möglichkeiten sehe, Arbeitnehmern mehr vom Brutto zu lassen. "Wir haben beispielsweise eine riesige Zahl von Minderausgaben und Mehreinnahmen, weil Menschen mehr Sozialabgaben zahlen", sagte Gabriel im ZDF-Sommerinterview.

Schäuble ist mit bald 42 Jahren im Bundestag und mehreren Bundesministerposten (Chef des Kanzleramtes, Innen, Finanzen) Profi genug, um zu wissen, dass er auf offener Bühne eine solche Forderung nicht erfüllen kann.

Erst einmal gilt weiter das Wort der Kanzlerin, wonach es "mit der jetzigen mittelfristigen Finanzplanung, die ja die ganze Legislaturperiode abdeckt", keine Spielräume gebe. Doch wenn jemand Merkel zu einem Kurswechsel bei der kalten Progression bringen könnte, dann wäre es Schäuble.

Der frühere CDU-Vorsitzende hätte gerade wegen seines Alters und seiner Erfahrung die Unabhängigkeit wie auch die Akzeptanz, mit der CDU-Chefin die Vorteile eines Umsteuerns in dieser Frage zu besprechen. Womöglich muss man auf Nuancen in den Äußerungen Merkels achten. Sie hat von der "jetzigen mittelfristigen Finanzplanung" gesprochen, nichts also, was sich nicht revidieren ließe. SPD-Chef Gabriel jedenfalls gibt sich "sicher, dass wir in dieser Legislaturperiode auch zu einem Ergebnis kommen werden".

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