Kommentar zu Abiturienten-Randale Schluss mit lustig

Meinung | Bonn/Köln · In Köln ist das Aufeinandertreffen rivalisierender Schülergruppen komplett entgleist. Zwei 18-Jährige liegen im Krankenhaus. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die schon länger läuft.

Nicht nur Spielverderber blicken mit Ärger und Unverständnis nach Köln, wo wiederholt Abifeiern und -streiche zu Straßenschlachten ausarten. Die Lage eskaliert: Wenn nicht mehr Wasserpistolen und Toilettenpapier im Einsatz sind, sondern Glasflaschen und Feuerwerkskörper in die Menge fliegen, ist eindeutig Schluss mit lustig. Was die erschütternde Bilanz des im Internet angekündigten „Abi-Kriegs“ belegt: Es gibt Schwerverletzte, die Polizei ermittelt wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, Körperverletzung und Landfriedensbruchs.

Was ist los in den Gymnasien in Köln oder auch anderswo? Ist das die Bildungselite? Oder eher: Asi statt Abi? Bringen ein paar Deppen unter Einfluss von Alkohol und Drogen alle anderen in Misskredit?

Wer das Geschehen in den sozialen Medien verfolgt, kann nicht überrascht sein. Demnach handelt es sich ganz sicher nicht um eine im Rausch entgleiste Party, sondern um die Chronik eines angekündigten Krieges, inklusive Propagandavideos und martialischer Drohgebärden in schwarzen Kapuzenpullovern. Eine gruselige Inszenierung mit Baseballschlägern und zum Schlagwerkzeug umgebauter Fahrradkette. Utensilien, die wohl kaum zur Grundausstattung für ein gelungenes Fest zählen. Geschnitzte Speere, wie sie Polizisten in die Kamera halten, lassen auf Vorbereitungen schließen, die schon in der Planung weit über Partygags hinausgehen. Genauso wie die Drohung einer Gruppe vermummter Abiturienten auf Instagram: „Ihr werdet vernichtet.“

Da hört der Spaß auf. Offensichtlich auch für den Abschlussjahrgang des Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums, der sich in einer Resolution für friedliche Abifeiern stark macht und sich von Störungen des Schulfriedens, Sachbeschädigung und Drogenmissbrauch distanziert. Offensichtlich ist also der sich zunehmend verschärfende Kölner „Abi-Krieg“ mit seiner mehrjährigen Tradition ein viel diskutiertes Thema unter den Schülern. Auch wenn es bisher meist bei Mehlbomben, Eiern und schmähenden Transparenten geblieben ist. Wird das Thema in den Elternhäusern unterschätzt? Kommt es dort gar nicht auf den Tisch? Fragen, die gestellt werden müssen. Und zwar nicht erst anhand der jüngsten Kölner Gewalt-Exzesse.

Das Treiben rund um die Reifeprüfung ufert auch anderswo immer mehr aus. Klar, es darf und soll gefeiert werden. Am besten dann, wenn die Lorbeeren geerntet sind. Wozu also die überkandidelten Mottowochen? Abibälle in Abendgarderobe? Von mir aus. Aber wenn mehr Gehirnschmalz in die Auswahl der Abendgarderobe gesteckt wird, als in die Abiprüfung, läuft etwas falsch.

Gut wäre es, die Randale von Köln als Zäsur zu nutzen. Nicht nur um Konsequenzen für unreife Chaoten daraus abzuleiten, sondern auch, damit beim nächsten Mal die Vernünftigen die Oberhand behalten.

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