Schwarz-Rot rüstet sich für Schlussspurt

Berlin · Mit wachsender Furcht vor einem Scheitern auf den letzten Metern rüsten sich Union und SPD für die entscheidenden Verhandlungen über eine schwarz-rote Koalition. Die Spitzen von CDU und CSU kamen in Berlin zu Beratungen über das weitere Vorgehen zusammen.

 Angela Merkel kommt zum Treffen der Spitzen von CDU und CSU ins Kanzleramt. Foto: Maurizio Gambarini

Angela Merkel kommt zum Treffen der Spitzen von CDU und CSU ins Kanzleramt. Foto: Maurizio Gambarini

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Die SPD-Führung bemühte sich am Wochenende nach Kräften, den Widerstand ihrer kritischen Parteibasis gegen ein Bündnis mit der Union zu überwinden. SPD-Chef Sigmar Gabriel drohte indirekt mit Rücktritt.

Sollten sich CDU, CSU und SPD trotz zahlreicher Streitpunkte bis Mittwoch auf eine Neuauflage der großen Koalition und die Verteilung der Ministerposten einigen, stimmt letztlich die SPD-Basis bis Mitte Dezember per Mitgliederentscheid über den ausgehandelten Vertrag ab. Das Votum ist offen. In vielen Landes- und Kreisverbänden ist die Stimmung laut "Spiegel" gegen eine Koalition mit CDU/CSU.

Die Spitzen von CDU und CSU wollen dennoch in der heißen Phase auf die Umsetzung zentraler Unions-Ziele pochen. Das Wichtigste sei nun, die Wahlversprechen "auch ganz konkret durchzusetzen", sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer nach seiner Wiederwahl zum CSU-Chef. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte, der Koalitionsvertrag werde die Handschrift der Union tragen. Eine Arbeitsteilung nach dem Motto "Wir fürs Grobe und die Sozialdemokraten fürs Herz" sei abzulehnen.

Union und SPD streben an, an diesem Mittwoch den Koalitionsvertrag zu präsentieren. Vor allem die Finanzierung vieler Vorhaben ist strittig. Dissens gibt es über die Rentenpläne, Pkw-Maut, Details eines Mindestlohns und die doppelte Staatsbürgerschaft.

Union und SPD einigten sich derweil auf strengere Regeln für Managergehälter. Danach sollen Aufsichtsrat und Aktionärsversammlung eines börsennotierten Unternehmens die Höhe der Gehälter festlegen und das Verhältnis zum Durchschnittsgehalt offenlegen, bestätigten Verhandlungskreise am Sonntag. Aus dieser Transparenz ergebe sich eine Begrenzung der Vorstandsvergütungen. Eine gesetzliche Deckelung sei nach wie vor nicht geplant, hieß es. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte der "Bild am Sonntag": "Wo der freie Markt versagt, muss der Staat versuchen, für Gerechtigkeit zu sorgen. (...) Es ist gut, dass wir im Entwurf des Koalitionsvertrages erstmals eine Grenze für Managergehälter eingezogen haben."

Gabriel und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warben auf Regionalkonferenzen für ein Ja, sollte die Parteiführung das Verhandlungsergebnis billigen und den 473 000 Parteimitgliedern zur Abstimmung vorlegen: "Wenn ein Entwurf kommt, in dem Gutes drinsteht, und die SPD sagt dann "Nein", dann ist sie sich selber mehr Wert als die Menschen, für die sie Politik macht", sagte Gabriel in Bruchsal. Und auf die Frage, ob bei einer Ablehnung die Parteiführung abtrete: "Jeder, der bei Verstand ist, muss doch wissen, was es heißt, wenn ein Vorsitzender in einer so entscheidenden Frage aufläuft."

Doch viele Sozialdemokraten sind entschlossen, ihrer Parteiführung die Gefolgschaft zu verweigern, wie das Magazin "Der Spiegel" nach Umfragen in 18 Bezirks- und Kreisverbänden sowie 26 Ortsvereinen berichtet. Vertreter von Parteigruppen lehnten es ab, ein Ja zu empfehlen - etwa der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, und Sachsens Landeschef Martin Dulig. Johanna Uekermann, die sich in zwei Wochen zur neuen Juso-Chefin wählen lassen will, sagte: "Meine derzeitige Einschätzung ist, dass es keine Mehrheit der Jusos für ein Ja zum Koalitionsvertrag geben wird."

Der amtierende Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte dem Magazin, die SPD solle "ihre Forderungen nicht überdrehen". Die Union sei ihr beim Mindestlohn und der doppelten Staatsbürgerschaft bereits weit entgegengekommen. Kauder stellte klar: "Wenn keine Steuern erhöht oder neue Schulden gemacht werden, dann sind die Spielräume sehr eng." Im "Tagesspiegel am Sonntag" nannte er 15 Milliarden Euro für die Wahlperiode. Dies entspricht den bisher eingeplanten Überschüssen. Seehofer - gestärkt nach seiner Wiederwahl als CSU-Parteichef mit 95,3 Prozent - kündigte in der ARD ein "Streichkonzert" bei den Wünschen der Unterhändler an.

Ein Scheitern der Gespräche schließen beide Seiten nicht aus. "Am Ende zählt das Ergebnis, daher können die Verhandlungen natürlich noch scheitern", sagte Nahles der "Bild am Sonntag". CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe meinte: "Vor uns liegen lange Tage und Nächte, in denen es hart zur Sache gehen wird."

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