Kommentar zu Israels 70. Geburtstag Schwere Bürde

Meinung | Israel · Eine Zwei-Staaten-Lösung ist Voraussetzung für eine halbwegs geregelte Koexistenz von Israelis und Palästinensern, meint GA-Redakteur Kai Pfundt. Doch diese ist in den vergangenen Jahren in weite Ferne gerückt.

Ein absurderer Kontrast ist schwer denkbar: Mit einer Leistungsschau ihrer Luftwaffe, hochgerüstet mit modernster Militärtechnik aus den USA, startete Israel am Donnerstag die Feiern zum 70. Jahrestag seiner Staatsgründung. Einen Tag später führten protestierende Palästinenser im Gazastreifen am Grenzzaun zu Israel ihre eigene Luftwaffe vor: An Kinderdrachen hängende Brandsätze, die, vom Wind über die Grenze getrieben, auf israelischer Seite abgeerntete Felder entzünden sollen.

Jagdbomber gegen Papierdrachen: Nein, Waffengleichheit gibt es im israelisch-palästinensischen Konflikt nicht. Auch daran muss beim Blick auf Israels 70. Geburtstag erinnert werden. Mit der Staatsgründung im Jahr 1948 schufen David Ben Gurion und seine Mitstreiter nicht nur eine Heimstatt für jüdische Flüchtlinge aus aller Welt, besonders für die europäischen Juden, die dem Tod im Gas oder in der Zwangsarbeit deutscher Konzentrationslager entronnen waren. Für Millionen Palästinenser bedeutet Israel dagegen bis heute Vertreibung und Gefangenschaft in Nicht-Staaten wie dem Gazastreifen und dem Westjordanland oder Exil im Libanon und in Jordanien.

Der daraus resultierende Konflikt ist eine der schwersten Bürden, die der Judenstaat trägt, politisch wie moralisch. Die Welt schaut sehr genau hin, wie Israel mit den Palästinensern umgeht, ob die Gewalt, die es zum legitimen Schutz seiner Bürger und seine Grenzen einsetzen muss, nicht willkürlich und ausufernd ist – zum Beispiel am seit Wochen umkämpften Gaza-Grenzzaun.

Dass Israel sein Territorium mit aller Entschlossenheit schützt, kann ihm angesichts der Todfeindschaft seiner Gegner allerdings niemand vorwerfen. Illusionen über einer Friedenslösung muss sich in diesem Konflikt niemand machen. Eine Zwei-Staaten-Lösung, Voraussetzung einer halbwegs geregelte Koexistenz von Israelis und Palästinensern, ist in den vergangenen Jahren in weite Ferne gerückt. Von einem Friedensprozess kann keine Rede mehr sein. In Jerusalem sind die Falken um Benjamin Netanjahu stark, getragen von einer US-Regierung, die ihre Rolle als ehrlicher Makler verspielt hat. Ein Erfolg wäre es schon, Gewalt und Blutvergießen einzudämmen.

Doch natürlich lässt sich Israel nicht auf den Konflikt mit den Palästinensern reduzieren. Unverändert ist das Land die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten, ein Leuchtturm der Stabilität in einer von Bürgerkriegen, ethnischem und religiösem Hass geprägten Nachbarschaft. Seine wirtschaftlichen und technologischen Erfolge könnten überregionale Strahlkraft entwickeln, wenn noch mehr Nachbarstaaten eine pragmatische Haltung zu Israel entwickeln könnten. Erstaunlicherweise könnte für die arabischen Staaten in dieser Hinsicht ausgerechnet Saudi-Arabien mit seiner jüngst verkündeten Annäherung an den langjährigen Erzfeind stilbildend sein.

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