Vorfall auf dem Flughafen Köln/Bonn Sicherheitsmängel wohl gravierender als bekannt

KÖLN · Die Sicherheitsmängel auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn bei der Kaperung der "Kanzlermaschine" durch einen 24-Jährigen waren wesentlich gravierender, als zunächst bekannt. Den Kölner Ermittlungsbehörden liegt ein Protokoll der Bundespolizei vor, wonach beispielsweise der Flieger von Angela Merkel theoretisch hätte gestartet werden können.

Die Maschine der Flugbereitschaft habe getankt am Rande des Flugfeldes gestanden. Der Flieger hatte mehrere Tonnen Sprit geladen. Womöglich weil der Eindringling sich mit der Technik im Cockpit nicht auskannte, wurde die Maschine nicht gestartet. "Wir ermitteln weiter in dem Fall", sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer dem GA.

Die Behörde prüfe, die bekannt gewordenen mutmaßlichen Versäumnisse. Ermittlungsverfahren gegen Personen von verschiedenen Behörden und Firmen, die mit dem Fall befasst waren, gebe es nicht. Laut dem achtseitigen Schreiben, dass Bestandteil der Akten der Ermittlungsbehörden ist, hat der Beschuldigte im Cockpit "wahllos alle Knöpfe gedrückt".

Dabei löste der Eindringling einen Alarm aus, der laut Protokoll um 20.40 Uhr bei der Bundeswehr einging. "Festgenommen" wurde der 24-Jährige jedoch erst um 0.23 Uhr durch einen Diensthund, der ihm zwei Mal ins Bein biss und ihn so handlungsunfähig machte. Auch stuften die Behörden offenbar erst rund eine Stunde nach dem Bekanntwerden die Situation als besonders gefährlich ein und lösten "Alarmstufe 1" aus.

Diese "Sonderlage" wird sonst nur bei Geiselnahmen oder anderen schwerwiegenden Vorfällen ausgerufen. Warum es Stunden für eine Festnahme brauchte, ist ebenfalls Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Außerdem wurde bekannt, dass die Tür des Cockpits offen stand, darin verschanzte sich der Mann zeitweilig. Über den Notausstieg gelangte der 24-Jährige in den Flieger.

Laut Aussagen der Luftwaffe sei die Maschine "stromlos" gewesen und ein Start wäre nicht möglich gewesen. Die Bundespolizei sieht dies nach ihren eigenen Ermittlungen jedoch anders.

Weitere Ermittlungen der Behörden ergaben, dass der Kölner mit einer Tasche voller Drogen am Wachposten vorbei auf das Flugfeld gelangt ist. In der Tasche wurden Ecstasy-Pillen und Marihuana gefunden. Dies steht ebenfalls im Protokoll der Bundespolizei. Der Mann stand nach Polizeiangaben bei der Tat erheblich unter Drogeneinfluss.

Nach einem Streit mit seiner Freundin am Abend des 25. Juli hatte der 24-Jährige die Wohnung im Kölner Stadtteil Porz verlassen und war zum militärischen Teil des Flughafens gefahren. Dort fand im Unteroffiziersheim eine Hochzeitsfeier statt. Wie bereits im Juli berichtet, sagte der Mann dem Wachposten sinngemäß: "Ich will zu der Party" - und wurde durchgelassen. Außerdem soll der Eindringling gesagt haben, er plane dort ebenfalls eine Party und wolle sich dort umschauen.

Auf die Feier soll der Mann nicht gegangen sein, sondern er spazierte über das Gelände, kletterte über einen Zaun und stand später vor der "Kanzlermaschine". Gesicherte DNA-Spuren am Zaun belegen, dass der Beschuldigte den Sicherheitszaun überstiegen hat. Videoaufnahmen gibt es laut Polizeiprotokoll dort nicht. Der 24-Jährige ist weiter in einer psychiatrischen Klinik in Essen untergebracht - vermutlich noch längere Zeit.