Erschreckende Zahlen So viele Flüchtlinge wie nie zuvor
BRÜSSEL/GENF · Die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer nimmt kein Ende. In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden bereits 42 000 Menschen an den Außengrenzen der EU gezählt - ein Großteil kam übers Wasser.
Das waren drei Mal mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. "Wir gehen davon aus, dass im Sommer sehr hohe Zahlen erreicht werden", erklärte Gil Arias-Fernandez, stellvertretender Direktor der Grenzschutzagentur Frontex, bei der Vorstellung der Daten am Mittwoch in Brüssel.
Hauptursachen für die neue Entwicklung seien die Konflikte in Syrien sowie die sich weiter verschlechternden Bedingungen in einigen afrikanischen Staaten. Deshalb rechne Frontex auch mit einem weiteren Anschwellen des Stroms über das Mittelmeer.
Erst vor wenigen Tagen war vor der italienischen Insel Lampedusa ein völlig überfülltes Bott gekentert, 14 Menschen kamen dabei ums Leben, obwohl sowohl die Küstenwache wie auch die Marine schnell alarmiert wurden und mit zahlreichen Schiffen zu Hilfe eilten.
An Bord waren nach italienischen Angaben rund 400 Personen, darunter viele Kinder. Es war das zweite Unglück innerhalb nur einer Woche. Am Sonntag zuvor ertranken 40 Menschen vor der libyschen Küste.
EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hatte sich nach dem Vorfall "tief schockiert" geäußert. Man müsse jetzt alles tun, um weitere Todesfälle zu vermeiden, sagte sie. Die EU nahm erst Ende letzten Jahres das Eurosur-Überwachungsnetz in Betrieb, bei dem die Daten aller beteiligten Behörden und Ämter rund um das Mittelmeer (Küstenschutz, Militär, Grenzschutz) sowie von Satelliten zusammengeführt werden, um Flüchtlingsboote frühzeitig zu erkennen.
Dabei entspricht die Entwicklung an den EU-Außengrenzen offenbar auch einem weltweiten Trend. Ende des vergangenen Jahres waren 33,3 Millionen Menschen in ihrem eigenen Land auf der Flucht vor Gewalt und Unterdrückung. Die größte Tragödie mit Binnenflüchtlingen spielt sich in Syrien ab.
Innerhalb des arabischen Landes zwingt der Bürgerkrieg pro Tag 9500 Menschen in die Flucht. Diese Zahlen nannte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) am Mittwoch in Genf.
Damit hat die Zahl der Binnenflüchtlinge den höchsten Wert seit Beginn der Erfassungen Ende der 90er Jahre erreicht. Damals waren etwa 19 Millionen Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht im eigenen Land.
Die Welt habe "eine gemeinsame Verantwortung das massive Leiden der Vertriebenen zu beenden", erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres. Es sei ein "humanitäres Gebot" den Vertriebenen zu helfen.
Guterres gab sich "sehr besorgt" über den "nach oben zeigenden Trend". Von Ende 2012 bis Ende 2013 sei die Zahl der Binnenflüchtlinge um 4,5 Millionen gestiegen. 2012 wurden weltweit noch 28,8 Millionen Betroffene gezählt.
Mittlerweile müssen die Opfer der Vertreibung im Durchschnitt 17 Jahre fern ihrer Heimatregion zubringen. "Das zeigt, dass etwas in schrecklicher Weise schief läuft", kritisierte Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrates (NRC).
NRC und UNHCR arbeiten eng zusammen. Allein in Syrien waren Ende 2013 rund 6,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Dahinter folgten Kolumbien mit 5,7 Millionen Binnenflüchtlingen und Nigeria mit 3,3 Millionen.