Nach Raketentest am Dienstag Sorge vor Krieg zwischen den USA und Nordkorea

Washington · Der jüngste Abschuss einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete, die nach Berechnung von Experten Washington erreichen könnte, nährt die Befürchtungen vor einem militärischen Eingreifen der USA.

Nach dem jüngsten Test einer neuen nordkoreanischen Interkontinentalrakete, die nach Berechnung von Experten die US-Hauptstadt Washington erreichen könnte, ist die Sorge vor einem militärischen Eingreifen der USA gegen das kommunistische Regime in Pjöngjang deutlich gewachsen.

„Wir bewegen uns auf einen Krieg zu, wenn sich die Dinge nicht ändern“, sagte der republikanische Senator Lindsey Graham, der als Vertrauter von Präsident Donald Trump gilt. „Wir werden nicht zulassen, dass dieser verrückte Mann in Nordkorea die Fähigkeit erlangt, unser Heimatland zu treffen“, fügte Graham mit Blick auf Diktator Kim Jong un hinzu.

Ähnlich äußerte sich Südkoreas Präsident Moon Jan In. Er warnte mit Blick auf die Olympischen Winterspiele, die Anfang nächsten Jahres in seinem Land stattfinden, vor einer Eskalation. „Wir müssen verhindern, dass Nordkorea die Lage falsch einschätzt und uns mit Atomwaffen bedroht, oder dass die USA einen Präventivschlag erwägen könnten.“Zwischenüberschrift

Telefonat mit chinesischem Präsidenten

Trump selbst hatte nach Bekanntwerden des nach 74 Tagen Testpause erfolgten Abschusses einer Rakete vom neuen Typ Hwasong-15 am Dienstagabend lediglich erklärt, dass Amerika „mit der Situation umgehen wird“. Die vorherige Drohung, dass Land notfalls „total zu zerstören“, blieb diesmal aus. Am Mittwoch kündigte Trump nach einem Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi zusätzliche „harte Sanktionen“ gegen Nordkorea an.

Dabei löste ausgerechnet Verteidigungsminister James Mattis Beunruhigung aus. Nach seinen Worten erreichte die jetzt getestete Rakete, die nach 1000 Kilometer im japanischen Meer landete, eine Flughöhe von fast 4500 Kilometern. Der renommierte Wissenschaftler David Wright errechnete daraus eine Flugbahn mit einer Reichweite von 13.000 Kilometern. Damit, so Mattis, sei nahezu jeder Ort auf der Welt ein potenzielles Ziel.

Andere Fachleute warnten dagegen vor einer Überbewertung. Die Rakete allein sage nichts über die Schlagkraft aus, erklärte sinngemäß der deutsche Wissenschaftler Markus Schiller. Erst müsse Nordkorea demonstrieren, dass es auch einen miniaturisierten Atomsprengkopf beim Wiedereintritt der Rakete in die Erdatmosphäre unbeschadet ins Ziel bringen kann. Präsident Trump hatte seit Amtsantritt mehrfach kategorisch ausgeschlossen, dass Nordkoreas Raketenprogramm jemals den jetzt behaupteten Reifegrad erreichen wird. „Das werde ich verhindern.“

Dagegen stellte der Propagandaapparat in Pjöngjang nach dem Raketentest via Staatsfernsehen fest, dass Nordkorea nunmehr das historische Ziel erreicht habe, die atomare Streitmacht des Landes „zu vervollständigen“.

Nordkorea soll Atomprogramm vollständig aufgeben

Nordkorea-Experten wie Xia Liping von der Tongji-Universität in Schanghai erkennen darin einen Lichtblick. Weitere Tests seien überflüssig, sagte er. Das Regime könne nun mit den USA auf Augenhöhe in Verhandlung treten, um Wirtschafts- und Lebensmittelhilfe zu erreichen.

Ein Standpunkt, der bisher von der Regierung in Washington komplett abgelehnt wird. Dort wird erwartet, dass Nordkorea in Vorleistung tritt und sein Atomprogramm vollständig aufgibt, was wiederum Kim Jong Un kategorisch ausschließt. Für den jungen Diktator, der in diesem Jahr 20 Raketen- und Bombentests durchführen ließ, gilt das Atomprogramm als militärische und politische Existenzgarantie. Seiner Beteuerung, von Atomwaffen niemals Gebrauch zu machen, solange die Interessen Nordkoreas gewahrt bleiben, schenkt in der US-Regierung nur eine Minderheit Glauben.

Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung der Krise, die durch die seit 15. September geübte Abstinenz Pjöngjangs bei militärischen Muskelspielen genährt worden war, sind durch den Raketentest über Nacht verflogen. Selbst US-Außenminister Rex Tillerson, der im Gegensatz zu Trump seit Monaten auf martialische Töne verzichtet, ließ leise Skepsis durchschimmern. „Diplomatische Optionen bleiben gangbar und möglich – für jetzt.“ Tillerson wird dem Vernehmen nach an diesem Donnerstag mit Außenminister Sigmar Gabriel in Washington zusammentreffen. Der SPD-Politiker hatte am Mittwoch den nordkoreanischen Botschafter in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellt, um Protest gegen den Raketentest einzulegen.

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