Sieben Pärchen übrig Das sind die Favoriten-Duos für den Vorsitz der SPD

Noch sind sieben Zweierteams im Bewerberfeld. Die Regionalkonferenzen sorgen für reichlich Mobilisierung an der Basis. An diesem Dienstag kämpfen die Kandidaten in Berlin um die Stimmen der Mitglieder. Es zeichnet sich bereits ab, welche Duos die besten Karten haben, in die Stichwahl einzuziehen.

 Auf offener Bühne: Bewerber für den SPD-Vorsitz bei der Regionalkonferenz der Partei im Willy-Brandt-Haus in Berlin.

Auf offener Bühne: Bewerber für den SPD-Vorsitz bei der Regionalkonferenz der Partei im Willy-Brandt-Haus in Berlin.

Foto: DPA

In Zeiten schlechter Wahlergebnisse und sinkender Einnahmen wurde in den Büros des Willy-Brandt-Hauses schon mal überlegt, was die SPD eigentlich mit einer so großen Zentrale anfangen soll. An diesem Dienstagabend platzt sie aber aus allen Nähten. Die Zuschauer füllen das Atrium, in der die überlebensgroße Brandt-Statue steht. Sie schauen von den fünf Stockwerken hinab, in Nebenräumen gibt es Videoübertragung. Generalsekretär Lars Klingbeil sprach im Vorfeld von einer „ganz besonderen Bewährungsprobe“ für die 14 Kandidatinnen und Kandidaten. In den Bezirken der Hauptstadt haben SPD-Büros zum Public Viewing eingeladen, um gemeinsam beurteilen zu können, wie sich die Bewerber um den SPD-Vorsitz präsentieren. Das Interesse ist auch zur Halbzeit der marathonartigen Tour noch riesig, hier in Berlin ist der Andrang bisher am größten.

Nach elf von 23 Regionalkonferenzen gibt es zwei Erkenntnisse: Erstens geben die Konferenzen kein vollständiges Bild der Stimmung an der Basis wieder. Schließlich nahmen bisher rund 7500 Menschen an den Konferenzen teil, knapp 430.000 Mitglieder hat die SPD aber noch. Zweitens lässt sich trotzdem erkennen, welche vier der sieben Bewerberteams die besten Chancen auf die nächste Runde in der Stichwahl haben. Denn wer sich an der Basis, bei Funktionären und auch bei den Spitzengenossen in Berlin umhört, wird so gut wie nie auf die Namen Hilde Mattheis und Dierk Hirschel aufmerksam gemacht. Sie bilden den Linksaußenflügel der SPD ab, sprechen damit auch nur eine kleine Gruppe der Mitglieder an. In Berlin feuern sie gegen die große Koalition, fordern Tarifverträge für alle. Auch Nina Scheer und Karl Lauterbach zählen nur bei wenigen Genossen zu den Favoriten. Sie können zwar mit ihrer konsequenten Ablehnung der großen Koalition punkten und fordern strikten Klimaschutz, haben darüber hinaus aber wenig programmatische Schwerpunkte gesetzt. Zudem sorgte ein Tweet von Lauterbach für Ärger, in dem er schon jetzt von einem faulen Klimakompromiss der Koalition spricht, obwohl die erst am Freitag alles festzurren will. Und Gesine Schwan und Ralf Stegner sind in der Partei zwar weithin bekannt, ihnen haftet aber der Makel fehlender Wahlerfolge an. Außerdem stehen sie nach Ansicht vieler nicht für den nötigen Aufbruch, für frischen Wind, für andere Ideen.

Vier Teams übrig

Damit bleiben diese vier Teams übrig: Finanzminister Olaf Scholz und die Brandenburgerin Klara Geywitz, Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Digitalisierungsexpertin Saskia Esken, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius mit der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping sowie der Staatsminister für Europa, Michael Roth, mit der früheren NRW-Familienministerin Christina Kampmann. Welche Stärken für sie sprechen und welche Schwächen ihnen entgegengehalten werden, zeigt dieser Überblick:

Scholz/Geywitz Kaum jemand sieht das Team nicht als Favoriten für eine Stichwahl. Scholz ist der prominenteste Bewerber, er bringt reichlich Amtserfahrung mit – als früherer Generalsekretär, Arbeitsminister, Erster Bürgermeister Hamburgs und jetzt als Finanzminister und Vizekanzler. Ihm trauen die Genossen wohl am ehesten zu, auch ein Rennen als Kanzlerkandidat bestehen zu können. Selbst wenn die Umfragewerte das Ziel Kanzleramt derzeit aus SPD-Sicht absurd erscheinen lassen: Sollte die große Koalition platzen und Neuwahlen anstehen, müsste die SPD aus ihrem Selbstverständnis heraus dennoch einen Kandidaten aufstellen. Diese Karte werden Scholz und seine Unterstützer mit Sicherheit spielen. Gerade Parteilinke sehen Scholz jedoch kritisch, bei Parteitagen wurde er stets mit schlechten Ergebnissen abgestraft. Und er verkörpert die große Koalition. Zudem hat Klara Geywitz das Problem, bei der Landtagswahl in Brandenburg ihren Wahlkreis an eine Grüne verloren zu haben.

Walter-Borjans/Esken Sie sind das einzige Team, das organisierte Unterstützung vom Juso-Bundesvorstand im Rücken hat. Dieser sprach sich einstimmig für den Mann aus, der einst die Steuer-CDs aus der Schweiz kaufte und so dem Staat Milliardeneinnahmen bescherte. Auch Esken, die als Bundestagsabgeordnete gegen das neue EU-Urheberrecht und Uploadfilter war, kann bei der jungen Generation punkten. Zudem hat der NRW-Landesverband das Duo offiziell nominiert. In Berlin bekommen sie bei der Vorstellungsrunde zu Beginn der Veranstaltung den meisten Applaus. Ihr Problem: Das Durchschnittsalter der SPD-Mitglieder liegt bei etwa 60 Jahren, der Anteil der Juso-Stimmen ist dagegen klein.

Pistorius/Köpping Von ihnen wird die meiste Expertise bei der inneren Sicherheit und der Migration erwartet. Beide bekommen bei den Konferenzen viel Zuspruch, besonders Köpping kann mit ihrer gewinnenden Art punkten. Sie stehen für die Mitte, verfolgen keinen klaren Anti-Groko-Kurs, sondern sehen in dem Bündnis auch Vorteile. Gerade aus Niedersachsen, einem der bedeutendsten Landesverbände, gibt es viel Unterstützung. Pistorius wird als härtester Konkurrent von Scholz gewertet.

Roth/Kampmann Dieses Duo gilt als Überraschung des Bewerbungsprozesses. Zunächst als Außenseiter abgestempelt, hat sich das erste Team, das seine Kandidatur ankündigte, in die Favoritengruppe vorgearbeitet. Mit ihrer herzlichen, offenen, frischen Art sprechen die jüngsten Bewerber im Feld jene Mitglieder an, die sich nach einem Aufbruch sehnen, nach einem echten Neuanfang. Das Problem: Auf organisierte Unterstützung aus den Verbänden können Roth und Kampmann bisher nicht so stark zählen wie etwa Walter-Borjans und Esken. Außerdem gilt für sie wie für alle anderen außer Scholz: Wer sollte bei ihrem Einzug in die Chefetage des Willy-Brandt-Hauses Kanzlerkandidat werden?

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