Besuch beim Regionalligisten Steinmeier lobt Bonner SC für Integrationsarbeit

BONN · Frank-Walter Steinmeier hat am Freitag seinen dreitägigen Besuch in der Region mit mehreren Stationen in Bonn beendet. Beim Bonner SC informierte sich das Staatsoberhaupt über Integrationsarbeit an der Basis.

Die Aktion stand so nicht im Protokoll, aber das scherte Frank-Walter Steinmeier in dem Moment nicht. Als der Ball ihm von einem BSC-Nachwuchskicker zugespielt wurde, zögerte der Bundespräsident keinen Augenblick: Kurzer Augenkontakt, dann ein sauberer Außenristpass zurück zur Spielfeldmitte. Der Ball, das sah man, ist nicht sein Gegner.

Direkt an der Seitenlinie des Sportparks Nord schaute das Staatsoberhaupt anschließend interessiert und auch mit den Augen des Fachmanns auf die Spiel- und Trainingseinheit, die der U11- und U12-Nachwuchs des Bonner SC auf dem Rasen vor ihm absolvierte. Steinmeier war in der Jugend selbst begeisterter Fußballer, beim TuS 08 Brakelsiek im Lipperland, erst in der Abwehr, später im Mittelfeld. Nach eigenem Bekunden „nicht der begnadete Filigrantechniker, dafür aber großes Kämpferherz und langer Atem. Ein Teamplayer“. Eigenschaften also, die ihn später auch in seiner herausragenden Politikerkarriere auszeichnen sollten.

Am dritten Arbeitstag seines Bonn-Aufenthalts war die Adresse auf dem präsidialen Programm eine ungewöhnliche – und dennoch für Steinmeier eine Herzensangelegenheit. Der BSC, ein Fußballclub, Regionalliga West, nicht unbedingt im Blickfeld überregionalen Interesses. Aber ein Verein, der seit Jahren eine herausragende Integrationsarbeit leistet und viele soziale Projekte initiiert und fördert. 249 Jugendliche aus 24 Ländern spielen hier Fußball, die Quote für Spieler mit Migrationshintergrund beträgt 60 Prozent. Das Miteinander funktioniert gut, auch aufgrund hochmotivierter Trainer und Ehrenämtler.

Steinmeier zu Besuch beim Bonner SC
24 Bilder

Steinmeier zu Besuch beim Bonner SC

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Rote Tartanbahn statt Roter Teppich

Abseits des Rasens unterstützt der Verein die Bonner Tafel, eine Schule in Bethlehem, in der muslimische und christliche Schüler unterrichtet werden, macht Live-Reportagen für sehbehinderte oder blinde Fans und hilft Flüchtlingen über den Fußball bei der Arbeitssuche – tatkräftig unterstützt vom Stadtsportbund und dem Landessportbund (LSB). Und so wird der BSC mittlerweile nicht so sehr wegen seiner fußballerischen Qualitäten, sondern eher aufgrund seiner gesellschaftlichen Verantwortung, die der Verein übernimmt, weit über die Stadtgrenze hinaus wahrgenommen – offenbar bis ins Schloss Bellevue in Berlin. Vom Büro Steinmeier kam dann irgendwann der Anruf, dass sich der Bundespräsident gern von den Vereinsvertretern über deren Integrationsarbeit informieren lassen würde.

Der BSC hatte zwar nicht den roten Teppich ausgerollt, aber zumindest erinnerte die rote Tartanbahn, über die Steinmeier später schritt, ein wenig an diesen besonderen Moment in der Geschichte des Vereins. Und der Bundespräsident, der mit großer Wagenkolonne und Motorradeskorte am Sportpark Nord vorgefahren war, nahm sich viel Zeit für den Club aus dem Bonner Norden. Der hatte bekanntlich lange Jahre nicht das beste Image in der Bundesstadt, doch nach der Insolvenz und dem Neuanfang 2011 schreibt der BSC wieder positive Schlagzeilen. Dafür sorgt nicht zuletzt unter der Führung des Vorsitzenden Dirk Mazurkiewicz ein engagierter Stab ehrenamtlicher Mitarbeiter.

In einer munteren Gesprächsrunde, die fast eine Stunde dauerte, übernahm der Bundespräsident, flankiert von Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan, NRW-Staatssekretärin Andrea Milz und Landesportbund-Vorsitzendem Walter Schneeloch die Rolle des Fragenden. Natürlich stand dabei die Integrationsarbeit des Vereins im Vordergrund, und da lieferte U19-Trainer Malte Dresen eine überraschende Erkenntnis. „Integrationsarbeit läuft immer gut, wenn es in der Kabine gar kein Thema ist.“

Verhaltenskodex mit Spielern aufgestellt

Sein Trainerkollege Nestor Londji, in Deutschland geboren, dessen Familie aber aus dem Kongo geflüchtet war, machte dennoch deutlich, dass die Integrationsbemühungen keine Einbahnstraße seien, dass sie auch von den Spielern gelebt werden müssten. „Sie brauchen Leitplanken, an denen sie sich orientieren.“ Ein Verhaltenskodex wurde gemeinsam mit den Spielern aufgestellt – „und daran halten sie sich“, so der Nachwuchstrainer. Dass dieser Schmelztiegel an Nationen und Kulturen in Bonn so gut funktioniert, schreibt Londji vor allem der verbindenden Kraft des Fußballs zu. „Das ist das Tool, der Kitt. Wir haben doch alle ein Ziel – den gemeinsamen Erfolg.“

Morteza Ahmadi, ein im Iran aufgewachsener Afghane, der 2015 nach einer wahren Odyssee in einer Bonner Flüchtlingsunterkunft landete und mittlerweile eine Ausbildung zum Optiker begonnen hat, beschreibt den Verein als „eine große Familie. Wenn ich nur wenige Tage weg bin, habe ich Heimweh.“ Aussagen, die den Bundespräsidenten in seiner Meinung stärkten, den richtigen Abschlussprogrammpunkt für seinen dreitägigen Bonn-Besuch gewählt zu haben. „Beim Bonner SC wird Integration auf vielfältige Art und in herausragender Weise gelebt. Das kann man nicht genügend wertschätzen“, sagte Steinmeier in zahlreiche Mikrofone und ergänzte: „Beispiele wie in Chemnitz zeigen uns, wie sehr uns Integration am Herzen liegen muss.“

Es war ein langer Tag für den Präsidenten, der sich aber dennoch viel Zeit nahm, für Fotos bereit stand, Autogramme schrieb und Hände schüttelte. Ein Präsident zum Anfassen. Als beim Fotoshooting mit dem BSC-Nachwuchs die Fotografen im Stakkato knipsten, reichte es dann einem Kicker. „Ist euer Akku nicht bald leer?“, fragte der Knirps keck. Da musste auch der Präsident grinsen. Der machte am Ende klar, dass er zwar in erster Linie Schalke-Fan sei, der BSC ihm nun aber auch ans Herz gewachsen sei. Und für den war es ein herausragender Tag in der Vereinsgeschichte. Präsident Mazurkiewicz sprach von einer „unbezahlbaren Wertschätzung. Das wird uns noch mehr motivieren, unsere Arbeit fortzusetzen.“

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