Aus Braun mach Grün Tagebau Garzweiler soll riesiges Parkgelände werden

Garzweiler · Der Tagebau Garzweiler steht spätestens mit dem Ende der Braunkohleförderung vor einem größeren Strukturwandel. Bereits jetzt gibt es Pläne, wie dieser aussehen könnte.

 Braunes Loch mitten in Nordrhein-Westfalen: Ein Bagger arbeitet im Braunkohletagebau Garzweiler bei Jüchen, der zum sogenannten Rheinischen Revier gehört.

Braunes Loch mitten in Nordrhein-Westfalen: Ein Bagger arbeitet im Braunkohletagebau Garzweiler bei Jüchen, der zum sogenannten Rheinischen Revier gehört.

Foto: picture alliance / dpa

Auf den saftig grünen Wiesen sitzen Familien mit ihren Picknickdecken. Fahrradfahrer und Inlineskater trudeln an ihnen vorbei – kein Auto ist in Sicht. Blumenbeete und Laubbäume säumen die Strecke, vorbei an einem glitzernden See. Ein idyllisches Fleckchen Natur – mitten im Rheinischen Revier. Die Zukunftsvision zeigt nicht weniger als das Areal, wo heute der Tagebau Garzweiler zu finden ist, also jenes riesige Loch, in dem noch immer Braunkohle gefördert wird. Auf den bunten Animationen des Planungsbüros „LAND Germany“ erscheint dieses Kapitel wie ein Relikt vergangener Tage.

Die Bilder zeigen erste Ergebnisse des 2016 vom Planungsverband Mönchengladbach, Erkelenz, Jüchen und Titz entwickelten „Drehbuchs“ – ein Zukunftsentwurf für das Rheinische Revier, an dem neben vier Planungsbüros außerdem externe Experten wie Landschaftsarchitekten, Stadtplaner und Soziologen mitgearbeitet haben. Gemeinsam mit den früheren Tagebaulöchern Hambach und Inden soll hier „ein grünes Herz der Region“ entstehen, das Menschen aus der Umgebung anlocken soll. Ende 2017 gründeten die angrenzenden Städte und Gemeinden eigens dafür einen Zweckverband, der die Pläne in Zusammenarbeit mit RWE verwirklichen soll.

Umgestaltung hängt von Förderzeit ab

Insgesamt 84 Quadratkilometer umfasst das Gebiet in Garzweiler. Wann es umgestaltet werden kann, hängt davon ab, wie lange RWE in diesem Areal noch Braunkohle fördert. Laut dem Braunkohleplan aus den 1990er Jahren ist ein Abbau bis 2045 erlaubt. Eine Umgestaltung könnte jedoch schon früher beginnen – von Osten her, wo die Braunkohlevorkommen bereits abgetragen sind. Drei Landschaften sollen auf dem Garzweiler-Gelände dann aus dem Boden sprießen.

Im Osten wäre da die sogenannte Reallaborlandschaft. Sie ist als „Experimentierraum“ für Gewerbe, neue Energieformen und Landschaftsprojekte gedacht, wie es im Drehbuch des Planungsverbandes heißt. Die zweite Landschaft wäre das Innovation Valley – ein großes hügeliges Gebiet mit Terrassen sowie unterschiedlichen Feucht- und Trockenzonen. Hier könnten Ortschaften und innovative Wohnformen entstehen. Auch die Ansiedlung von Start-ups sowie anderen Unternehmen sei möglich, heißt es im Drehbuch. Langfristiges Ziel sei ein Forschungszentrum. Als dritte Landschaft ist ein See inklusive begehbarer Inseln vorgesehen.

"Grünes Band" für Sport und Freizeit

Das gesamte Gelände wollen die Planer in ein sogenanntes grünes Band einfassen. Bunte Felder, Freizeitanlagen und Parklandschaften sollen eine Attraktion für die Region schaffen: die Garzweiler Gärten. Dort könnten Orte für Sport, Erholung und Feste entstehen. Ein zentrales Element des grünen Bandes wäre auch ein Radschnellweg, der als 70 Kilometer langer „Orbit“ das ehemalige Tagebaugebiet einschließt. Eine Seilbahn soll die drei Landschaften überfliegen und miteinander verbinden. Schon in diesem Jahr sind erste Arbeiten ange-dacht.

Wie viel Geld RWE in die unterschiedlichen Vorhaben investieren wird, darüber will der Konzern bislang nichts sagen. „Über eine konkrete Beteiligung an einzelnen Projektideen stehen wir im ständigen Dialog mit den im Zweckverband beteiligten Kommunen“, teilt RWE mit.

Doch vor allem die Kooperation mit dem Energiekonzern, die nicht zuletzt mit finanziellen Spenden seitens RWE verbunden ist, hatte bereits kurz nach deren Bekanntwerden für kritische Stimmen gesorgt. RWE könne auf diese Weise erheblich Einfluss nehmen, so die Meinung der Gegner einer Zusammenarbeit. Jüchens Bürgermeister Harald Zillikens (CDU) weist diese Bedenken zurück: „Der Sponsoringvertrag bedeutet nicht, dass wir Gemeinden als Gegenleistung für das wirtschaftliche Wohlergehen von RWE Sorge tragen.“

Klare Trennung von Politik und Wirtschaft

Es gebe hier eine klare Trennung von Politik und Wirtschaft. Und auch Gregor Bonin, Planungsdezernent der Stadt Mönchengladbach, sieht darin kein Problem: „Einem Berater von RWE sitzen 54 Kommunalparlamentarier gegenüber, die sich das Denken von einem Großkonzern sicher nicht vorschreiben lassen.“ Nach den Angaben der Bezirksregierung Arnsberg belaufen sich die Rückstellungen der RWE Power AG auf rund 2,2 Milliarden Euro, von denen 1,6 Milliarden Euro auf die Wiedernutzbarmachung, 172 Millionen Euro auf Umsiedlungen sowie 384 Millionen Euro auf Bergschäden entfallen. Drei Gutachten externer Experten sind zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Mittel ausreichend sind, um die Renaturierung zu bewältigen.

Auch den so wichtigen Strukturwandel will RWE nach eigenen Angaben künftig begleiten. „Es ist für uns eine Frage der Verantwortung, die Kommunen nicht allein zu lassen“, sagt Michael Eyll-Vetter, Leiter der Tagebauentwicklung. Der Zweckverband Garzweiler stehe in der Tradition früherer Kooperationen mit den Kommunen. Dazu gehörten unter anderem das „Forum :terra nova“ am Tagebau Hambach oder die Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH, welche die Landschaft rund um den künftigen Indeschen See am Tagebau Inden erarbeiten soll.

Tageabbaugebiete zu Dreieck verbinden

Trotz der fortgeschrittenen Pläne warnt Zillikens vor einem überhasteten Stopp der Braunkohleförderung. „Jedes Jahr früher bedeutet weniger Zeit für den Strukturwandel“, erläutert Jüchens Bürgermeister. Dieser sei politisch gewollt und komme schneller als gedacht. Rund 330.000 Menschen leben im Rheinischen Revier. „Durch die Arbeitsplatzverluste im Zuge des Abbaus der Braunkohleförderung sind ja nicht nur die Arbeiter, sondern auch deren Familien betroffen“, weiß Zillikens. Dennoch macht er keinen Hehl daraus, dass er das Ende der Braunkohleförderung begrüßt. Es habe schließlich auch sehr viele Nachteile gegeben. Menschen seien umgesiedelt, Autobahnen verlegt worden. „Staus, Lärm und die Verschmutzung des Grundwassers: Das alles mussten wir in der Vergangenheit hinnehmen“, beklagt sich Zillikens.

Geht es nach dem Drehbuch des Planungsverbandes, sollen die drei Tagebaugebiete Garzweiler, Inden und Hambach zu einem Dreieck entwickelt werden, das eine hohe Anziehungskraft auf das Umland hat: Für die Rheinschiene mit Düsseldorf, Köln, Bonn, aber auch für das nördlich, südlich und westlich gelegene Umland sollen hier Flächen frei werden für Freizeit und Erholung, außerdem für Gewerbe- und Siedlungsentwicklung.

Auch angesichts solcher hoffnungsvoller Entwürfe blickt Zillikens optimistisch in die Zukunft. Der Tagebau in der Region stehe definitiv vor seinem Ende. Keiner könne sagen, wie es dort in 40 Jahren aussieht. „Noch haben wir kein klares Szenario, aber wir haben Vorstellungen“, sagt Jüchens Bürgermeister. Aus den negativen Spätfolgen des Tagebaus gelte es, eine Tugend zu machen. Oder anders gesagt: Den Garzweiler See gibt es zwar noch nicht – das dafür notwendige Loch ist aber immerhin schon ausgehoben.

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