Björn Höcke darf „Faschist“ genannt werden Thüringens AfD-Chef ist der Rechtsaußen der rechten Partei

Berlin · Thüringens AfD-Chef Björn Höcke ist der Rechtsaußen der rechten Partei. Bei der Landtagswahl hat er einen Triumph eingefahren. Das macht ihn in der Bundespartei noch mächtiger.

 Björn Höcke, umstrittener AfD-Spitzenkandidat in Thüringen.

Björn Höcke, umstrittener AfD-Spitzenkandidat in Thüringen.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Björn Höcke wirkt bei diesem Auftritt in Berlin so angespannt wie kampfeslustig. Journalisten hält er gern auf Abstand, nun sitzt ihm aber eine ganze Reihe von Hauptstadtkorrespondenten direkt vor der Nase. Und hier in der Bundespressekonferenz führen sie auch noch Regie. Die Hemmschwelle fürs Aufstehen und Abbrechen und Drohen vor laufenden Kameras mag höher sein als bei einem einzelnen, nicht live aufgezeichneten Fernseh-Interview, das ihm nicht passt. Wie neulich mit dem ZDF. Da ging es um seinen Sprachgebrauch in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“. AfD-Politiker sollten Sätze daraus Höcke oder Hitler zuordnen – und konnten sich nicht festlegen.

Jetzt sitzt Höcke neben den beiden Bundesparteisprechern Alexander Gauland und Jörg Meuthen. Am Vorabend hat er bei der Landtagswahl in Thüringen einen Triumph eingefahren. Die AfD hat sich mehr als verdoppelt und ist jetzt hinter den Linken mit 23,4 Prozent zweitstärkste Kraft. Höcke, im Westen aufgewachsen, sagt: „Wir sind die junge, vitale Volkspartei des Ostens.“ Er kann es mit den Wahlanalysen belegen. Die Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sei von „Rentnern gerettet worden“, bemerkt der 47-Jährige spitz.

Es dauert nicht lang, bis er erklärt, dass er sich von Journalisten systematisch gemobbt fühle. Medien hätten der AfD den Wahlkampf erschwert und trotzdem sei sie in die Höhe geschnellt. Andere sagen, die AfD sei trotz Höcke, dem Rechtsaußen der rechten Partei, in die Höhe geschnellt. Er hat sich mit Formulierungen wie zu einem „bevorstehenden Volkstod durch Bevölkerungsaustausch“ die Titulierung „Nazi“ erworben. CDU-Landeschef Mike Mohring nennt ihn so, CSU-Chef Markus Söder vergleicht ihn mit Hitler und laut Gerichtsbeschluss darf er „Faschist“ genannt werden. „Faschist“ könne zwar ehrverletzenden Charakter haben und dazu dienen, politische Gegner in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken, aber im Fall Höcke sei die Bezeichnung zulässig.

Höcke und Gauland machen deutlich, dass sie diese Meinungsfreiheit in Deutschland schwierig finden, von der Gauland allerdings selbst profitiert hat. Sein Vergleich, Hitler und die Nazis seien nur ein „Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, wurde von einem Gericht auch nicht unter Volksverhetzung, sondern unter Meinungsfreiheit abgebucht. Gauland weiß um die Wirkung seiner Worte. Deswegen wählt er sie ja so. Aufregung bedeutet Aufmerksamkeit und das zahlt bei seiner Partei ein. Über Höcke sagt er: „Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts. Herr Höcke ist die Mitte der Partei.“ Dann müsste die ganze Partei ins Blickfeld des Verfassungsschutzes rücken, sagt dazu der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster.

Höcke ist Gründer des rechtsnationalen „Flügels“ in der AfD. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft diesen „Flügel“ als „Verdachtsfall“ im Bereich des Rechtsextremismus ein. Gauland erklärt später, mit dem Begriff „Mitte“ habe er keine Verortung im politischen Rechts-Links-Schema ausdrücken wollen. Er habe nur betont, dass Höcke in der AfD „bestimmt keine Randfigur“ sei. Und natürlich sei es „völliger Unsinn“, Höcke einen Faschisten zu nennen. Solche „Kampfbegriffe“ würden inflationär in die politische Arena geworfen, beklagt auch Höcke. Der Mann, der gern von den Altparteien, von vaterlandslosen Gesellen spricht und offensichtlich im Zusammenhang mit dem Berliner Holocaust-Mahnmal von einem „Denkmal der Schande“ sprach. Gauland (78) nennt Höcke liebevoll einen „Nationalromantiker“, findet dessen Liebe zu Deutschland nur ein wenig „übersteigert“.

Im November wählt die AfD einen neuen Vorstand. Den alten hat Höcke heftig kritisiert. Ob er nun selbst kandidieren werde, wird er gefragt. „Wahlsieger wollen natürlich auch repräsentiert werden in den wichtigem Gremien der Partei“, antwortet er. Die beiden anderen Wahlsieger der AfD in diesem Jahr, Andreas Kalbitz aus Brandenburg und Jörg Urban aus Sachsen, werden auch Höckes „Flügel“ zugerechnet. Es gebe „viele gute Vertreter“ seines Kurses für „solidarischen Patriotismus“, sagt Höcke. Es werde aber zu viel über Personal und zu wenig über Inhalte gesprochen – etwa über eine nötige „Abschiebe-Initiative 2020“ oder eine „Familienoffensive“.

Persönliche Gespräche mit AfD-Größen sind mitunter schwer zu bekommen. So blieben auch telefonische und schriftliche Anfragen an Höckes Büro erfolglos. In der Pressekonferenz sagt er zu einer Kandidatur für den Bundesvorstand noch: „Das behalte ich mir vor.“ Sein Signal: Der „Flügel“ in der AfD ist mächtig. Höcke ist mächtig.

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